Hätten bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 nur die Stimmen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer gezählt, dann hätte es keine grüne Welle gegeben, sondern einen grünen Tsunami. Denn jeder vierte Schweizer im Ausland hat die Grünen gewählt. Das sind mehr als doppelt so viele wie in der Schweiz selbst.
Für Grünen-Generalsekretärin Rahel Estermann ist deshalb klar, dass ihre Partei den Fokus für die kommenden Wahlen im Herbst noch stärker auf die Schweizer Diaspora legt: «Wir sind daran, einen Vorstoss auszuarbeiten, der eine direkte Vertretung dieser Gruppe in National- und Ständerat fordert.»
Gar nicht so links
Auslandschweizerinnnen und Auslandschweizer haben 2019 überproportional die Grünen gewählt, dafür unterdurchschnittlich die SVP. Nationalrat Roland Rino Büchel ist für die SVP Mitglied im Auslandschweizerrat der Auslandschweizer-Organisation.
Er ist überzeugt, dass seine Partei bei den Auslandschweizerinnen wieder zulegen kann – denn im Herbst werde es verstärkt wieder um Werte gehen: «Das Pendel schlägt zurück – und ich bin mir ziemlich sicher, dass das Stehen zu den Werten der Schweiz der SVP zum Erfolg verhelfen wird.»
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Laut Politgeograf Michael Hermann sind die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer längst nicht so links positioniert, wie das Wahlresultat von 2019 vermuten lässt. Denn bei Abstimmungen sehe es anders aus, sagte er kürzlich gegenüber Swissinfo.
Das Profil der Auslandschweizer würde am ehesten dem Profil der Grünliberalen entsprechen.
So hätten sie der Erhöhung des Rentenalters für Frauen überdurchschnittlich zugestimmt – entgegen der Empfehlung der Linken. «Das Profil der Auslandschweizer würde also eher dem Profil der Grünliberalen entsprechen», so Hermann.
Doch die GLP konnte vor vier Jahren davon nicht profitieren. Das soll sich dieses Jahr ändern. Die Partei will mit der neu gegründeten GLP International die Schweizer im Ausland besser erreichen. Zudem setzt sich die GLP für die Einführung des E-Votings ein.
Forderung nach E-Voting
Dafür kämpft auch Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter, welche ebenfalls Mitglied im Ausländerbeirat ist. «E-Voting ist für Auslandschweizer absolut essenziell» – denn so könne der doch unterdurchschnittliche Wähleranteil der Auslandschweizer erhöht werden.
Skeptischer in dieser Frage ist SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Er ist nicht bereit, Kompromisse bei der Sicherheit der Stimmabgabe einzugehen. «Derzeit gibt es keine sichere Lösung fürs E-Voting.»
Derzeit gibt es keine sichere Lösung fürs E-Voting.
Die SP war bisher die einzige Partei, die mit Tim Guldimann einen Auslandschweizer im Nationalrat stellte. Nach zweieinhalb Jahren pendeln von Berlin nach Bern war allerdings Schluss. Für Nordmann ist dieses Modell nicht praktikabel. Nationalrat sei ein Fulltime-Job, den könne man nicht quasi vom Ausland her machen, sagt er.
Auslandschweizer als Stimmenbringer
Auch bei der GLP ist die direkte Wahl von Auslandschweizern ins nationale Parlament nicht das vorrangige Ziel. Auslandschweizerinnen würden nur auf Unterlisten zur Wahl aufgeführt, um die Hauptlisten und -kandidaten zu unterstützen, sagt GLP-International-Präsident Thomas Häni. Er selber lebt im deutschen Ulm und kandidiert auf einer GLP-Unterliste im Kanton Basel-Stadt.
Sicher ist: Die Schweizer Diaspora wird politisch immer wichtiger. Denn ihre Zahl steigt jährlich deutlich an. Sie zu vernachlässigen, kann und will sich keine Partei mehr leisten.