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Ein Jahr im Amt Jans bietet Deutschland Hilfe bei Abschiebeflügen an

Justizminister Beat Jans zieht eine positive Bilanz für sein erstes Jahr als Bundesrat – trotz der Kritik am Asylwesen durch die bürgerlichen Parteien. Er lobt das Asylverfahren in der Schweiz und findet, dass andere Länder sich daran ein Beispiel nehmen sollen.

Beat Jans

Bundesrat

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Bundesrat Beat Jans (Jg. 1964) wurde am 13. Dezember 2023 in die Landesregierung gewählt. Zuvor war der SP-Politiker Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt (2021–2023). Von 2010 bis 2020 war er Nationalrat und von 2015 bis 2020 Vizepräsident der SP Schweiz.

SRF: Die Migrationspolitik bietet nicht nur in der Schweiz politischen Zündstoff. Auch in Deutschland hat der Streit um die Migration letzte Woche eine politische Krise ausgelöst: Kanzlerkandidat Friedrich Merz will die Grenzen noch stärker kontrollieren. Macht Ihnen das Sorgen?

Beat Jans: Ich habe den Eindruck, dass die Debatte falsch läuft und das besorgt mich. Zuwanderung wird als Sicherheitsrisiko definiert. Wenn man die Fakten anschaut, ist das aber nicht so. Ausländer sind nicht per se gefährlicher als andere Menschen. Und wenn man meint, dass man mit Grenzen schliessen die Sicherheit der Bevölkerung verbessert, dann liegt man falsch.

Wie meinen Sie das?

Wenn man Polizisten, zum Beispiel aus Solingen oder Aschaffenburg, abzieht und sie neu an der Grenzen aufstellt, wo sie Pässe kontrollieren, dann sind Sie weniger nützlich für die Sicherheit, als wenn sie vor Ort bleiben. Die beiden Taten in Solingen und Aschaffenburg waren schrecklich. Aber die Täter waren eben nicht typische islamistische Asylsuchende, sondern Menschen mit einer psychischen Problematik, die der Polizei auch bekannt waren. Wenn man die innere Sicherheit gestärkt hätte und gesagt hätte, die Polizisten müssen genauer hinschauen bei solchen Profilen, dann hätte man diese Taten vielleicht verhindern können. 

Wenn Deutschland im Bereich der Rückführung so viele Fortschritte gemacht hätte, wie wir in der Schweiz, dann wäre vielleicht der eine von den Attentätern schon früher ausgeschafft worden. Man hat im deutschen Asylvollzug zu lange gewartet. Und jetzt will man die Probleme lösen, indem man die Grenzen zumacht. Aber man hat eigentlich nicht die richtige Antwort auf die Herausforderung, die sich stellt. 

Attentate Aschaffenburg und Solingen

Also Sie sagen, die Schweiz ist schon weiter?

Die Schweiz ist eindeutig weiter. Wir sind bei den Rückschaffungen bei einer Quote von knapp 60 Prozent. Im letzten Jahr haben wir etwa 7000 Menschen zurückgeschafft. Deutschland hat eine Rückschaffungsquote von ungefähr 14 Prozent. Deutschland hat es verpasst, die Strukturen aufzubauen, damit solche Rückführungen möglich sind. Und darum haben wir an den Innenministertreffen auch eine Zusammenarbeit angeboten.

Rückschaffungsquote – was heisst das?

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Die Rückschaffungsquote ist der Anteil der Asylsuchenden in der Schweiz, die nach einem negativen Asylentscheid in ihr Herkunftsland ausgeschafft werden. Rückschaffungen sind aber nicht immer möglich, zum Beispiel weil keine gültigen Reisepapiere vorliegen, oder weil die Asylsuchenden gesundheitlich nicht in der Lage zu einer Reise sind.

Wenn wir uns innerhalb von Europa organisieren, zum Beispiel bei den Rückführungsflügen, dann kann man mehr erreichen. Die Zusammenarbeit innerhalb von Europa ist ein Schlüssel in der Zuwanderungs- und in der Asylpolitik.

Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, den die Briten gemacht haben.

Wenn aber jedes Land meint, es müsse einfach für sich schauen, die Grenzen schliessen und vielleicht sogar noch Stacheldraht montieren, dann ist damit die Sicherheit nicht verbessert. Im Gegenteil: Es werden ganz viele Ressourcen, zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten, am falschen Ort eingesetzt.

Stichwort Zusammenarbeit in Europa: Welche Rolle spielen Sie in der Debatte um die bilateralen Verträge? Sie gelten als der Bundesrat mit dem meisten Herzblut für das Thema.

Aufgrund meiner Geschichte in Basel weiss ich: Wenn wir mit Europa gut zusammen arbeiten, dann geht es allen besser, auf beiden Seiten der Grenzen. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, den die Briten gemacht haben, die sich von der Zuwanderung zum Brexit treiben liessen. Heute bereut das eine Mehrheit der Briten, wirtschaftlich geht es Ihnen viel schlechter als vorher.

Und das Absurde ist: Die Zuwanderung in England hat nach der Implementierung vom Brexit zugenommen. In England sind alle Probleme seit dem Brexit grösser geworden und diesen Fehler dürfen wir in der Schweiz nicht machen.

Das Gespräch führte Patrick Künzle.

Regionaljournal Basel Baselland, 04.02.2025, 16:00 Uhr ; 

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