Von aussen sieht das Atomkraftwerk aus wie immer. Im Innern des Maschinenhauses wähnt man sich aber auf einer Grossbaustelle. Einer mit strengen Sicherheitsvorkehrungen. Wir dürfen die Halle erst betreten, als wir Schutzanzüge, Handschuhe und Helme tragen. Wir befinden uns jetzt in der sogenannten kontrollierten Zone.
Hier standen bis vor kurzem noch die tonnenschweren Turbinen, angetrieben vom Wasserdampf. Sie wurden vor einigen Wochen von einer Spezialfirma abtransportiert. An sie erinnern nur noch grosse Löcher im Boden.
Wie die Stilllegung funktioniert
Im Maschinenhaus wird aber nicht nur Material abtransportiert, es entsteht auch Neues. Wie etwa eine Trockenstrahl-Box. «In dieser Anlage wird die Oberfläche von ausgebautem Material abrasiv abgearbeitet, am Schluss bleibt nur noch Metall übrig», erklärt Stefan Klute, Gesamtprojektleiter Stilllegung bei der BKW.
Alles was auf dem Metall war, Farbe, mögliche radioaktive Kontamination, gehe weg und werde als radioaktiver Abfall entsorgt, so Klute weiter. Im Moment ist die Anlage noch im Testbetrieb.
Möglichst viele Teile, die im AKW abgebaut werden, sollen hier von ihrer Radioaktivität befreit werden. Insgesamt sind bereits über 3000 Tonnen abmontiert und abtransportiert worden.
Auf der anderen Seite des Maschinenhauses bereitet sich ein Team darauf vor, ein Loch in die Wand zu brechen. «Wir werden das Maschinenhaus öffnen, das ist so etwas wie eine heilige Kuh, denn damit begehen wir einen doppelten Zonenbruch», erklärt Bauleiter Iven Elsasser mit einem Grinsen.
Das ist unsere heilige Kuh.
Damit meint er, dass sich die kontrollierte Zone nach aussen verschiebt, wenn die Mauer aufgemacht wird. Hier entsteht eine neue Station; Material, das gereinigt wurde, wird hier gemessen, ob es nicht mehr radioaktiv ist.
Etwa 10 Minuten später ist es vollbracht, ein grosses Loch klafft in der Wand. Elsasser ist zufrieden. «Auf einer normalen Baustelle wäre so etwas eine leichte Sache. Aber hier müssen wir auch die nukleare Sicherheit beachten», so Elsasser.
Auch Projektleiter Stefan Klute ist froh, dass alles nach Plan gelaufen ist. Denn die Pandemie ist eine grosse Herausforderung für die BKW im ersten Jahr der Stilllegung des AKW. «Damit hat keiner gerechnet, das war die grösste Herausforderung für uns», sagt Klute. Aber sie seien trotz Personalengpässen im Zeitplan.
Keine normale Baustelle
Der Zeitplan sieht für die nächsten drei Jahre den Rückbau der stark radioaktiven Teile im Reaktorgebäude vor. Die Tests für diese Arbeiten seien gerade am Laufen, erklärt Stefan Klute. «Die Teile werden unter Wasser zerschnitten und verpackt, wegen ihrer hohen Radioaktivität», führt Klute aus. Sie hofften, dass sie im Januar damit beginnen könnten.
Bis Ende 2024 müssen dann auch die Brennstäbe aus dem Gebäude entfernt sein. Im Moment befinden sie sich in einem mit Wasser gefüllten Lagerbecken. Später werden sie ins Zwischenlager in Würenlingen AG gebracht.
Abtransportiert werden im Moment auch schwere Maschinen aus dem Maschinenhaus. Während unseres Besuchs ist das ein Hochdruck-Vorwärmer, der zu der Turbinen-Generatoren-Gruppe gehörte. Mit dem Hebekran wird er durchs Gebäude befördert und dann auf einen Lastwagen geladen, um nach Schweden transportiert und dort eingeschmolzen zu werden.
Auch auf unserem Weg aus dem Maschinenhaus müssen wir einem strengen Protokoll folgen. In einer Schleuse wird gemessen, ob wir zu viel Radioaktivität abbekommen haben. «Keine Kontamination» meldet die Computerstimme. Zum Glück.