Andy Tschümperlin, SP-Fraktionspräsident und Befürworter einer Einheitskasse sagt: «Der Urnengang hat gezeigt, dass nun schon vier von zehn Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern einer öffentliche Krankenkasse zustimmen.» Auch vier Kantone hätten Ja gestimmt, das sei neu. Das Resultat zeige, dass sich das Volk dieser Position langsam annähere.
So oder so: Die Kosten im Gesundheitswesen blieben ein grosses Thema. Wichtig sei nun, dass man die Transparenz im Gesundheitswesen angehe. «Würde man Vergleichbarkeit erreichen, würde der Wettbewerb im Gesundheitswesen entmythifiziert.»
Dass die Gesundheitskosten ein Thema bleiben, sieht auch FDP-Parteipräsident Philipp Müller so. «Es ist nicht zumutbar für die Leute, dass die Prämien jedes Jahr wie bei einem Naturgesetz steigen.» Das Parlament müsse sich nun mit den kostentreibenden Faktoren auseinandersetzen. Für Müller bedeutet das, dass der Vertragszwang aufgehoben wird. «Wir müssen die schwarzen Schafe der zu teuren Ärzte aus dem System herausbringen.» Das Ende der Wahlfreiheit für die Patienten wäre das nicht. Es wäre nur so, dass die Krankenkassen nicht mehr jeden Arzt bezahlen müssten, sagt Müller.
Mehr Wettbewerb und keine Prämien mehr für Kinder?
Toni Brunner, Parteipräsident der SVP, ist froh, dass die Krankenkassen nicht verstaatlicht werden, wie er sagt. «Das deutliche Resultat ist eine Abfuhr an weitere staatliche Eingriffe im Gesundheitswesen.» Es brauche nicht mehr Staat, sondern mehr Wettbewerb. Und man müsse die kostentreibenden Faktoren grundsätzlich hinterfragen und nicht ständig mehr Leistungen in den Grundversicherungskatalog aufnehmen. «Wieso nicht auch mehr Wettbewerb in der Grundversicherung?» fragt Brunner. Auch die Aufhebung des Vertragszwangs befürwortet die SVP.
Auch Ida Glanzmann, Vizepräsidenten der CVP, ist erleichtert über das Abstimmungsresultat: «Vor allem für Familien wäre es ein riesiger Verlust gewesen. Jetzt muss man die Familien von den Kinderprämien entlasten.» Diese Forderung werde in Kürze in einer parlamentarischen Initiative behandelt. Zur Aufhebung des Vertragszwangs sagt Glanzmann, dass – wenn man wirklich Kosten sparen wolle – man diesen Punkt unbedingt anschauen müsse.
Die Idee, einzelne kantonale Einheitskassen zu ermöglichen, stösst in der Runde nicht auf Begeisterung. Es bräuchte dafür eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Dass das Parlament einer solchen zustimmen würde, schliessen die vier Anwesenden aus, allerdings aus verschiedenen Gründen.
Einheitssatz abgelehnt oder doch nicht?
Die SVP war im Vorfeld die einzige Partei, die die Initiative des Gastgewerbes unterstützt hat. Brunner sagt: «Es war selten so, dass in dem Abstimmungsbüchlein so viel falsch aufgeführt war, wie dieses Mal.» Es sei von einem neuen Mehrwertsteuersatz von 3,8 Prozent auf Esswaren die Rede gewesen. Dabei wäre der neue Steuersatz vom Parlament noch bestimmt worden. «Man hatte Angst, dass der Mindeststeuersatz angehoben würde. Es war fast eine Erpressung.» Mit dem heutigen Tag sei die Idee einer Einheitssatzes bei der Mehrwertsteuer gestorben.
Um die Steuergerechtigkeit sei es in dieser Frage gegangen, sagt Tschümperlin. Eine andere Verteilung der Steuern werde vom Volk nur goutiert, wenn eine Mehrheit dies als gerecht empfinde. Deshalb sei diese Vorlage abgelehnt worden.
Die Vertreterin der CVP ist auch der Meinung, dass die Initiative aus Angst vor höheren Lebenmittelpreisen abgelehnt wurde. Aber nicht nur: «Die Leute haben weiter auch nicht geglaubt, dass das Essen im Restaurant günstiger würde.» Nun seien die Gastwirte gefordert, denn die Restaurants hätten mit dem Überleben zu kämpfen. Die CVP habe sich nie für einen Einheitssatz ausgesprochen.
Für Müller ist klar, dass der tiefe Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel sakrosankt sei. Doch habe die FDP eine Initiative für einen Einheitssatz in der Schublade. Diese sei ertragsneutral. Die Initiative werde lanciert, sobald die Finanzierung sichergestellt sei.
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