Darum geht es: Wer von den Renten nicht leben kann, hat Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL). Seit 2021 gilt die Regel, dass Erbinnen und Erben von Menschen, die EL bezogen haben, diese zurückzahlen müssen. Das gilt, wenn das Erbe einen Freibetrag von 40'000 Franken übersteigt. Das Bundesgericht hat nun entschieden, wie dieser Freibetrag berechnet wird.
So funktioniert der Freibetrag: Zurückgefordert werden kann nur jener Teil des Vermögens über dem Freibetrag. Entscheidend ist die Vermögenssituation am Todestag, inklusive Schulden. Und die Frage, was zu den Schulden der verstorbenen Person gehört – und was die Erben selbst zahlen müssen.
Die strittige Rechnung: Drei Erben wehrten sich gegen die Berechnung der Ausgleichskasse. Sie waren der Ansicht, die Kosten für die Beerdigung und die Schlussabrechnung des Pflegeheims (letzte Miete, Schlussreinigung, Todesfall-Pauschale) dürften nicht in den Freibetrag fallen. Dieser würde dann als Erbe zur Verfügung stehen. Die Ausgleichskasse argumentiert, diese Kosten entstünden erst nach dem Tod. Daher seien sie aus dem Freibetrag zu bezahlen. Die Ausgleichskasse forderte deshalb mehr Geld zurück.
Das Urteil: Das Bundesgericht hat festgehalten, dass die Ausgleichskasse die Rückzahlung teilweise falsch berechnet hat. Die Schlussabrechnung des Seniorenheims könne nicht den Erben belastet werden. Die Verstorbene habe mit dem Pflegeheim einen Vertrag abgeschlossen. Sie sei diese Schulden also vor ihrem Tod bewusst eingegangen. Anders sieht es hingegen bei den Beerdigungskosten aus: Diese seien nach dem Tod angefallen und gingen zu Lasten der Erben.
Die Begründung: Das Gericht argumentiert, das Parlament habe gerade deshalb einen Freibetrag vorgesehen, um Todesfall-Kosten zu begleichen. Deshalb werde dieser Freibetrag auch nicht für EL-Rückforderungen herangezogen. Die 40'000 Franken sind also kein garantiertes Erbe, so die Logik hinter dem Urteil. Anders sei es bei der Rechnung des Seniorenzentrums: Weil vor dem Tod vereinbart, seien das keine Todesfall-Kosten.
Die Folgen: Im konkreten Fall müssen die Erbinnen und Erben die Beerdigung aus dem Freibetrag berappen, nicht aber die Rechnungen des Pflegeheims. Entsprechend sinkt der Betrag, den sie an die Ausgleichskasse zurückzahlen müssen. Das Urteil öffnet aber Raum für neue Fragen: Was, wenn Verstorbene ihr Begräbnis schon zu Lebzeiten vertraglich regeln, etwa in dem sie Sarg oder Grabstein auswählen? Würden diese Kosten dann – für Erbinnen und Erben günstig – nicht mehr aus dem Freibetrag nach dem Tod beglichen, sondern aus dem Vermögen der Verstorbenen?
Wie weiter? Die Rückforderung ist politisch und gesellschaftlich umstritten. Es geht um Milliarden. Die ausbezahlten Ergänzungsleistungen nehmen tendenziell zu – ebenso wie die Erbschaften. Allerdings müssen sich Erbinnen und Erben teilweise hoch verschulden, um die EL-Rückzahlungen leisten zu können, vor allem wenn im Erbe Häuser oder Höfe enthalten sind. Im Parlament gibt es deshalb Bemühungen, die EL-Rückzahlungspflicht für Erbinnen und Erben wieder abzuschaffen.