In Europa wird wegen des Kriegs in der Ukraine das Gas knapp. Der Bundesrat geht zwar davon aus, dass die Versorgung kurzfristig sichergestellt ist – doch spätestens nächsten Winter könnte es Probleme geben. Deshalb hat der Bundesrat heute Massnahmen beschlossen, um die Energieversorgung sicherzustellen.
Energieministerin Simonetta Sommaruga plädiert im Interview für mehr Nutzung von einheimischen erneuerbaren Energien.
SRF News: Bundesrätin Sommaruga, fast die Hälfte des Schweizer Gases stammt aus Russland. Es gibt Menschen, die fürchten, dass sie bald in der Kälte sitzen, weil sie mit Gas heizen. Ist die Angst berechtigt?
Simonetta Sommaruga: Für diesen Winter können wir nach jetzigem Kenntnisstand davon ausgehen, dass die Versorgung gesichert ist mit Gas. Wir haben beim Öl die Pflichtlager, wir haben beim Strom die Strombehörde, die sehr genau hinschaut. Aber dieser Krieg zeigt, wie verwundbar Europa ist in Bezug auf die Gasversorgung und natürlich damit auch die Schweiz.
Sie sagen, für diesen Winter ist die Versorgung gesichert – es gibt aber in der Uvek-Medienmitteilung einige Vorbehalte: Also wenn weiterhin russisches Gas geliefert wird, wenn es keine längere Kälteperiode gibt und wenn keine weiteren Kraftwerke ausfallen. Das sind relativ viele «Wenn's».
Es ist tatsächlich so, wir müssen sehr genau hinschauen. Ich bin ja in direktem Kontakt mit der Gasbranche, tausche mich mit ihnen regelmässig aus. Was den Strom anbelangt, da haben wir die Elcom, also die Elektrizitätskommission, mit der Swissgrid, der Netzbehörde, die beim Strom genau hinschaut. Und wir haben beim Öl Pflichtlager.
Gaskraftwerke könnten auch mit anderen Energieträgern betrieben werden, also nicht nur Erdgas.
Aber tatsächlich, wir müssen hier sehr genau hinschauen. Wir merken jetzt auch diese Verwundbarkeit. Diese kommt daher, dass wir sehr stark abhängig sind. Deshalb will ja die Schweiz, und mit aller Kraft müssen wir das in Zukunft tun, wegkommen von Öl, von Gas, mehr einheimische erneuerbare Energien haben. Das ist genau der Weg, den wir jetzt mit aller Kraft vorwärtsgehen müssen.
Sie haben vor Kurzem auch den Plan präsentiert, dass es zwei Gaskraftwerke geben soll in der Schweiz. Müssen Sie da nochmal über die Bücher?
Vor zehn Tagen haben wir gesagt, wir wollen für den Strom eine Wasserkraftreserve haben für den nächsten Winter. Das heisst, wir behalten Wasser in den Stauseen zurück, das wir dann brauchen können, turbinieren können, falls sich beim Strom für eine gewisse kurze Zeit eine Mangellage abzeichnen sollte.
Was diese Gaskraftwerke anbelangt, das ist eigentlich eine zweite Rückversicherung zum Wasserstrom. Das hat die Elektrizitätskommission gewünscht. Aber es war immer klar: Gaskraftwerke könnten auch mit anderen Energieträgern betrieben werden, also nicht nur Erdgas, es sind auch andere Brennstoffe möglich. Das werden wir sicher noch anschauen.
Schweizer Anbieter sollen sich neu auch absprechen können auf internationaler Ebene, wenn sie für Gas verhandeln. Bringt das überhaupt etwas, wenn sich die EU jetzt neu koordinieren will für ihre Beschaffungen?
Wir müssen an den nächsten Winter denken. Und da müssten sie jetzt bereits Erdgas reservieren können, einkaufen können, auch Speicherkapazitäten. Aber auch Flüssiggas zum Beispiel. Dazu hat der Bundesrat heute entschieden, dass sich die Gasbranche absprechen kann, koordinieren kann, damit sie auch gemeinsam solche Einkäufe tätigen können, an Auktionen teilnehmen können.
Das Thema hat auch eine politische Seite: Die Schweiz kann Sanktionen verhängen, aber da sie Gas aus Russland kauft, unterstützt sie trotzdem damit Russland finanziell. So wird irgendwann der Krieg finanziert. Das ist inkonsequent.
Ja, und deshalb müssen wir wegkommen von dieser starken Auslandabhängigkeit. Dieses Gas, das die Branche für den nächsten Winter vorsorglich einkaufen kann, handelt es sich nicht um russisches Gas.
Aber insgesamt, und ich denke, das ist auch für die Bevölkerung ganz wichtig, diese Abhängigkeit vom Ausland: Beim Öl, beim Gas, übrigens auch beim Uran, für die AKW, da müssen wir wegkommen. Und wir sehen ja, die Bevölkerung will das auch. Wir haben in den letzten zwei Jahren so viel für Photovoltaik gebaut wie noch gar nie in unserem Land. Also man sieht, die Bevölkerung will für erneuerbare Energien bei uns verstärkt zubauen.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.