Vom SVP-Energiepolitiker zum Energieminister: Die Strom-Monsterdebatte war für Albert Rösti die Feuertaufe. Er hat sie bestanden. Der Wasserkraft-Lobbyist von einst war diese Woche ein Moderator – ein Vermittler zwischen dem links-grünen und dem bürgerlichen Lager.
«Ich möchte nicht am Schluss mit kurzen Hosen dastehen», warnte Rösti. Die Stromvorlage nämlich ist ein Balanceakt: Wie viele Eingriffe beim Naturschutz verträgt es, um mehr Strom produzieren zu können? Und wie viele Eingriffe in die Eigentumsfreiheit liegen drin, um die Gebäude solar hochzurüsten? Stimmt die Balance nicht, dürfte das Ganze keine Volksabstimmung überstehen.
Waagschale neigt sich
Letzten Sommer noch hatte die Politik fundamentale Einschnitte in den Naturschutz diskutiert. Von solch waghalsigen Manövern ist keine Rede mehr. Mehr Realismus ist eingekehrt im Bundeshaus. Doch der Nationalrat hat die Waagschale immer noch leicht auf die bürgerliche Seite kippen lassen. Die Solarpflicht hat er abgeschwächt. Sie gilt nur noch für Neubauten und Gebäude, die umgebaut werden.
Dem rechten Lager, Hauseigentümervertretern und Bundesrat Rösti geht auch eine solche Solarpflicht zu weit – eine Revolution aber wäre sie nicht: Die Kantone gehen ohnehin in diese Richtung. Hoch umstritten sind Abstriche beim Naturschutz: Neue Kraftwerke in früheren Gletscher-Landschaften werden möglich.
Bei Kraftwerkbauten sind Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Natur nicht mehr in jedem Fall vorgeschrieben. 15 Wasserkraftprojekte werden beschleunigt, Naturschutzinteressen in ihrem Fall grundsätzlich hintangestellt.
Und vor allem: Der Nationalrat will, dass Wasserkraftwerke künftig mehr Wasser durch die Turbinen leiten dürfen als bisher vorgesehen. Diese Lockerung bei den Restwasservorschriften schadet den Fischen und der Artenvielfalt. Überraschend ist das Kippen der Waagschale auf die bürgerliche Seite nicht angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat. Doch bereits droht der Fischereiverband mit dem Referendum.
Röstis Weg
Die «Monstervorlage» nimmt noch mehrere Runden durchs Parlament. Als Nächstes im Ständerat. Energieminister Rösti verlangt schon jetzt, das Parlament solle die Solarpflicht weiter zurückstutzen und im Gegenzug auf den Angriff auf die Restwasservorschriften verzichten. Dann stimme die Balance. Allerdings würde das auch Abstriche bei der Stromproduktion bedeuten.
Der Ständerat wird zwei Risiken gegeneinander abwägen müssen: Hier das Risiko, die Vorlage immer mehr zu schrumpfen und am Schluss zu wenig Mehrproduktion beim Strom zu haben. Dort das Risiko, dass sich die Widerstände von Fischern, Umweltschützerinnen und Hauseigentümern aufsummieren. Kein einfacher Balanceakt.
Eine unsichere Wette
Über allem schwebt die energiepolitische «1-Million-Franken-Frage»: Reicht das alles, um den notwendigen enormen Ausbau der Stromproduktion zu schaffen? Bei allen Abstrichen bei Verfahrensschritten: Noch keines der vom Nationalrat besonders geförderten Wasserkraftprojekte hat eine Baubewilligung. Und bei allen Ausbauten im Bereich Subventionen: Am Schluss müssen Investorinnen und Investoren bereit sein, Milliarden zu investieren in zusätzliche erneuerbare Stromproduktion im Inland.
Das Parlament geht eine unsichere Wette ein. Noch will eine stabile politische Mehrheit im Bundeshaus den Ausstieg aus Öl und Gas ohne neue Kernkraftwerke schaffen. Doch in der rechten Ecke lauert bereits die AKW-Lobby.