Die drohende Strom-Mangellage macht dem Parlament Beine. In der Energie-Debatte im Ständerat ging es um eine massive Förderung der erneuerbaren Energien. Dafür sollen allerdings Umweltschutz-Bestimmungen gelockert – oder gleich aus dem Weg geräumt werden. Einer der Architekten hinter diesen Vorschlägen ist Ruedi Noser.
SRF News: Wie wird im Haushalt Noser Wärme und Strom produziert?
Ruedi Noser: Die Wärme leider mit Gas – und der Strom wird wohl aus Wasserkraft sein. Aus dem Glarnerland.
Sie haben heute im Rat gesagt: Unsere Generation hat versagt. Was meinen Sie damit?
Wir haben die letzten 20 Jahren keine zusätzliche Stromproduktion in unserem Land aufgebaut. Alles, was wir zusätzlich verbraucht haben, ist über Importe gelöst worden. Das ist ein klares Versagen der Politik. Wir sind aktuell nicht in der Lage, Anlagen für erneuerbare Energien zu bewilligen.
Das wollen Sie jetzt ändern – und zwar sehr schnell. Die neuen erneuerbaren Energien sollen doppelt so schnell ausgebaut werden, wie das der Bundesrat vorgeschlagen hat. Wie?
Wenn wir die Energiewende hinbekommen wollen, brauchen wir jedes Jahr zwei Terawattstunden neue Energie. Jedes Jahr – bis 2035. Das ist eine riesige Herausforderung. Zwei Terawattstunden entsprechen jedes Jahr ungefähr dem Zubau von einem Grand-Dixence-Wasserkraftwerk.
Und das wollen Sie, und die Mehrheit im Ständerat, jetzt erreichen, indem Sie schlicht den Naturschutz und den Umweltschutz aushebeln.
Wir bauen die Solarkraft aus, auch im Mittelland, auf den Gebäuden. Damit sind wir aber noch weit weg. Es braucht in den nächsten Jahren ein oder zwei Grossprojekte, die schnell realisiert werden können. Dafür braucht es die eine oder andere Ausnahme im Umweltschutz.
Die eine oder andere Ausnahme … Der Umweltschutz wird schlicht ausgehebelt. Restwassermenge, Biotope von nationaler Bedeutung, Biodiversität: Das wird alles übersteuert.
Wir haben in den letzten 20 Jahren 1.2 Terawattstunden Wasserstrom verloren, alles für die Biotope. Geplant ist nochmals ein Verlust von zwei Terawattstunden. Diesen Verlust können wir uns nicht leisten, ausser wir machen mit der Solarenergie schneller vorwärts – das haben wir übrigens auch beschlossen. Und es gibt einen Paragrafen, der sagt: Wenn man im Ausbau im Plan ist, dann werden diese Lockerungen im Umweltschutz wieder rückgängig gemacht. Aber es braucht im Moment einen Masterplan Energie.
Das Problem ist doch, dass Sie mit dem nicht durchkommen. Sie bekommen keine Mehrheiten, weder im Nationalrat noch in der Bevölkerung. Denn das Referendum der Umweltverbände ist bereits jetzt klar.
Ich freue mich auf die Abstimmung. Bedenken Sie: Die ganze Schweiz hat einen Brief bekommen, dass der Strom eventuell rationiert wird im Winter. Das heisst: Wohlstandsverlust und Arbeitslosigkeit. Wir haben eine ausserordentliche Situation, und in einer ausserordentlichen Situation braucht es ausserordentliche Massnahmen.
In einer ausserordentlichen Situation braucht es ausserordentliche Massnahmen.
Es reicht nicht mehr, nur Gesetze zu machen, die keine Wirkung haben. Der Grimsel-Ausbau ist seit 20 Jahren im Bewilligungsverfahren. Wir müssen wieder in der Lage sein, Stromproduktion zuzubauen.
Sogar die NZZ hat heute geschrieben: Es ist unverhältnismässig, sämtliche Prinzipien des Umwelt-, Landschafts- und Naturschutzes auszuhebeln.
Ich gehe davon aus, dass wir im Parlament noch etwas korrigieren. Die eine oder andere Forderung ist schon etwas extrem, das sehe ich auch so. Aber es war wichtig in der Kommission, dass wir eine klare Vorlage haben, damit die Energie, die wir brauchen in unserem Land, auch produziert werden kann.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.