Anders als erhofft, bleibt der Gotthard-Basistunnel auch für den Güterverkehr vorläufig gesperrt. Transportunternehmer Benjamin Giezendanner äussert sich zu den möglichen längerfristigen Auswirkungen des Ausfalls und zu den möglichen Alternativen für den Gütertransport.
SRF News: Wie stark ist Ihr Unternehmen von der Sperrung des Gotthards betroffen?
Benjamin Giezendanner: Momentan ist noch Ferienzeit in Italien, das macht es leichter. Aber sobald die Wirtschaft wieder anzieht und die Ferien zu Ende sind, wird es kritisch. Derzeit können wir über die Strasse einen Teil der Kapazität noch gewährleisten.
Was passiert, falls der Gotthard-Basistunnel für den Güterverkehr länger gesperrt bleiben sollte?
Dann dürfte die Inlandversorgung dies zu spüren bekommen. Wir transportieren beispielsweise für Spitäler von der Deutschschweiz teilweise Gase wie Stickstoff oder Sauerstoff ins Tessin. Im Moment wickeln wir das über die Strasse ab. Doch sobald der Verkehr auf der Strasse wieder losgeht, können wir Transporte dieser Art nicht mehr über die Strasse abfangen. Das bedeutet, dass wir gewisse Güter nicht mehr transportieren können.
Ein längerer Unterbruch wäre für die europäische Wirtschaft ein Desaster.
Was wären die längerfristigen Auswirkungen?
So weit wollen wir noch nicht denken, denn wir haben den längeren Unterbruch in Rastatt in Deutschland noch gut in Erinnerung. Ein erneuter längerer Unterbruch wäre für die europäische Wirtschaft ein Desaster, denn so schnell kann man den Transport nicht auf die Strasse zurückverlagern. Mit dem Lötschberg und der Brennerroute gibt es aber zurzeit zwei Bahn-Alternativen zur Gotthardstrecke. Die können zumindest einen Teil der Güter schlucken.
Wie bewähren sich die Alternativrouten?
Die Kapazitäten des Gotthards können sie nicht auffangen. Zudem können durch den Gotthard Fahrzeuge bis zu einer Höhe von vier Metern fahren. Das ist im Lötschberg nicht möglich.
Musste mit einem solchen Unfall gerechnet werden?
Auf Schweizer Seite eigentlich nicht. Wir sind technologisch sehr weit. Auf der nördlichen Seite sind wir politisch schon lange am Kämpfen, da es dort eine gewisse Redundanz von Störungen zwischen Basel und Mannheim gibt. Da hätten wir gerne noch Gleise auf der französischen Seite, um den Güterverkehr zu gewährleisten. Das ist eine gesamteuropäische Frage.
Es ist wie auf der Strasse: Es gibt Ermüdungsbrüche und das Material hat seine Grenzen.
Sie sind eigentlich überrascht, dass es passiert ist?
Ja, aber es ist wie auf der Strasse. Es gibt Ermüdungsbrüche und das Material hat seine Grenzen. Jetzt scheint es, als wären diese Grenzen überschritten worden.
Wann wird es kritisch?
Klar, es gibt schon jetzt Verluste, aber sie halten sich noch im Rahmen. Der Transport über die Strasse ist teurer. Ende August wird die Wirtschaft wieder anziehen. Für uns und viele andere würde es dann wirklich zum Problem werden.
Was wären die weiteren Auswirkungen für die Schweiz?
Auch im Lebensmittelbereich würden irgendwann die Preise ansteigen. Nicht von einem Moment auf den anderen, aber mit der Zeit. Im Winter können beispielsweise Alpenpässe nicht mehr befahren werden. Dann hätte man mit einem gesperrten Gotthard langfristig ein riesiges Problem. Jetzt hoffen wir, dass das Ende August oder Anfang September bereinigt ist.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.