- Der Nationalrat debattiert heute in der Sondersession über die Teilrevision des Gesetzes über Versicherungsverträge (VVG).
- Schon jetzt gehen die Regeln des veralteten Gesetzes zu Lasten der Versicherten.
- Nun drohen weitere massive Verschlechterungen für Versicherte: Bundesrat Ueli Maurer hat viele Anliegen der Versicherungslobby in den Gesetzesvorschlag übernommen.
- Die Nachfrage des «Kassensturz» bei den 200 Nationalrätinnen- und räten von anfangs Mai zeigt: Jetzt regt sich auch bei FDP und SVP Widerstand gegen die versichertenfeindliche Gesetzesvorlage.
Eigentlich sollte das alte Gesetz modernisiert werden. Die Teilrevision wollte ursprünglich mehr Fairness und ein Gleichgewicht zwischen Versicherten und Versicherungen herstellen. Was der Bundesrat jetzt dem Parlament zur Diskussion vorlegt, ist das Gegenteil.
«Was wir jetzt vor uns haben, ist ein Gesetzesentwurf, der in ganz wichtigen Punkten die Stellung der Versicherten verschlechtert», warnte Rechtsprofessor Stephan Fuhrer gegenüber «Kassensturz» schon vor einem Jahr.
Der zuständige Bundesrat Ueli Maurer und Nationalräte der vorberatenden Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) ignorierten seine Kritik. FDP- und SVP-Parlamentarier winkten die kundenfeindlichen Bestimmungen durch. Ins Parlament kommt nun ein Gesetzesvorschlag, der zu grossen Teilen die Anliegen der Versicherungslobby übernommen hat.
Den Versicherungen ausgeliefert
So sollen die Versicherungen beispielsweise neu das Recht erhalten, Bedingungen im Vertrag einseitig nach ihrem Gusto abzuändern. Die Konsequenz: Der Versicherungsnehmer muss die einseitige Änderung akzeptieren oder die Versicherung auflösen. Rechtsprofessor Fuhrer warnt vor den Folgen: «Über 55-jährige Versicherte werden etwa bei einer Krankentaggeldversicherung keine neue Versicherung mehr finden.»
Wo steht der Nationalrat?
Kurz vor der Beratung im Nationalrat fragt «Kassensturz» bei den 200 Volksvertretern nach: Wie werden sie abstimmen? «Kassensturz» stellte konkrete Fragen zu den drei Artikeln, welche drastischste Verschlechterungen für Versicherte mit sich bringen würden.
Klare Antworten kommen von Politikern der SP und der Grünen. Sie haben sich schon im Vorfeld gegen eine Verschlechterung gewehrt. Grünliberale geben ebenfalls an, die drei versicherungsfreundlichen Änderungsvorschläge des Bundesrates ablehnen zu wollen.
Die CVP-Nationalräte wollen den Gesetzesvorschlag in der Fraktion noch diskutieren, schreibt Fraktions-Vizepräsident Leo Müller nichtssagend. Von der BDP hört «Kassensturz» einzig von Nationalrat Lorenz Hess, seines Zeichens Verwaltungsratspräsident der Visana: Auch die BDP wolle die Punkte noch diskutieren.
Umdenken bei der FDP und SVP?
In der vorberatenden Kommission haben FDP und SVP den kundenfeindlichen Vorschlag des Bundesrates durchgewunken – mit Stichentscheid des Kommissions-Präsidenten Jean-François Rime (SVP), Delegierter der Mobiliar.
Bei der aktuellen «Kassensturz»-Umfrage geben beide Parteien nun an, wenigstens die einseitigen Vertragsänderungen nicht mehr akzeptieren zu wollen. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi schreibt zudem, dass die SVP sich vorstellen könne, sich gegen einen weiteren Gesetzesartikel zu stellen.
Geplante Änderungen:
Kein Grund zur Freude
Auch wenn das Einlenken der FDP und SVP auf den ersten Blick erfreuen mag: In vielen Punkten bleibt für die Versicherten die rechtliche Lage schlecht. Für Rechtsprofessor Fuhrer ist klar: «Das Ziel, nach jahrelanger Debatte, ein faires und ausgewogenes Versicherungsvertragsgesetz zu erhalten, wird so nicht erreicht.»