Flavien Gousset hat geschafft, wovon viele träumen: einen viralen Hit. Er hat im Herbst 2022 vor der AHV-Abstimmung erklärt, wieso man Nein stimmen müsse. Das Video wurde über eine Million mal angeschaut.
Er überlege sich ganz genau, für wen er das Video macht: «Man muss so sprechen, dass man verstanden wird. Humor hilft auch, wenn man sich nicht allzu ernst nimmt. Damit kommt man auch authentisch rüber», erzählt Gousset an seinem Küchentisch. Dort nimmt der 25-Jährige jeweils seine Videos auf. Den Text schreibe er selber, beim Aufnehmen und Schneiden helfen ihm ab und an Kollegen.
Hauptberuflich ist Flavien Gousset als Campaigner bei der SP angestellt. In seinem 60-Prozent-Pensum arbeitet er unter anderem für den Podcast Meyer:Wermuth. Die Videos mache er aber alle in seiner Freizeit, er sei mindestens einen Arbeitstag pro Woche damit beschäftigt, erklärt er.
Klassische Medien sind noch immer wichtigste Informationsquelle
Die Politologin Cloé Jans vom Forschungsinstitut GFS Bern relativiert Goussets Erfolg etwas. Dieser sei auch durch die klassischen Medien so gross geworden. Wirkliche Reichweite werde erst erzielt, wenn auch klassische Medien über ein Thema berichten, so Jans.
Der typische Wähler ist männlich und 58 Jahre alt.
«Wenn man schaut, wie sich Menschen bei Abstimmungen informieren, zeigt sich, dass soziale Medien noch immer eine kleine Rolle spielen im Verhältnis zu redaktionellen Medien.» Das liege auch daran, dass bis heute vor allem ältere Menschen an die Urne gehen. «Der typische Wähler ist männlich und 58 Jahre alt», erklärt Jans.
Die Politologin erklärt aber weiter, dass nicht auf sozialen Medien anwesend zu sein, auch keine Lösung ist. «Die wichtigste Plattform ist noch immer Twitter. Dort sind Journalistinnen und andere Akteure der Politik unterwegs, es gibt einen starken Diskurs.» Und wie bei Gousset schaffen es so Diskussionen von sozialen Medien in die klassischen Medien.
Linke weiter als die Bürgerlichen
Marcel Schuler war früher Kampagnenleiter bei der FDP. Heute hat er eine eigene Agentur und berät Politiker und Politikerinnen bei ihrem Auftritt in den sozialen Medien.
«Linke Parteien sind auf Social Media eher stärker als die bürgerlichen Parteien», meint er. Die Bürgerlichen hätten sich länger auf ihren Erfolgen ausgeruht. Die Linken hätten wiederum reagiert und die sozialen Medien früher entdeckt. «Daher haben sie heute einen Vorsprung von fünf bis zehn Jahren», schätzt Schuler.
Bei allen Gesprächspartnern wird aber vor allem eines klar: Nebenbei Social Media zu machen, ist nicht möglich.
Cloé Jans sagt es so: «Das Zentralste ist, dass man das Ganze langfristig angehen muss.» Immer wieder sehe man, dass Politiker und Politikerinnen wenige Monate vor den Wahlen ihre Accounts pflegen und ganz plötzlich sehr aktiv werden. «Die restlichen drei Jahre sind sie dann wieder ruhig. Um authentisch zu sein, muss man dran bleiben, strategisch pflegen und auch aufbauen», meint Jans. Viele hätten nicht im Blick, welchen Aufwand das verursacht.
Flavien Gousset sagt, er verwende pro Woche mindestens einen Arbeitstag für seine Videos. Er antworte auf jede Nachricht, gehe manchmal noch in die Diskussion oder liefere noch Argumente nach. Sein Tipp für angehende Polit-Influencer: «Besser als zu planen, ist damit anzufangen. Aber anfangen muss man.»