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Erfolglose FDP-Präsidentin Rücktritt von Gössi kommt zum richtigen Zeitpunkt

Keine Frage: Die FDP war schon in besserem Zustand. Sie hat bei den nationalen Wahlen 2019 verloren, bei den kantonalen Wahlen seither ebenfalls, sie hat bei den Diskussionen ums Rahmenabkommen einen zerstrittenen Eindruck gemacht, beim CO2-Gesetz ebenso und ist dabei von ihrer Wählerschaft im Stich gelassen worden. Deshalb musste Petra Gössi, die erfolglose Präsidentin, den Hut nehmen. Doch stimmt diese Erzählung?

Es geht nicht nur um Erfolg

Machen wir einen Vergleich mit der SP. Diese hat bei den Wahlen 2019 ebenfalls verloren (sogar noch mehr als die FDP), auch bei den Kantonalen Wahlen seither hat sie viele Prozente verloren (sogar noch mehr als die FDP), beim Rahmenabkommen war sie zwischen EU-Turbos und Gewerkschaftskreisen zerrissen, und beim CO2-Gesetz hat sie trotz einstimmiger Abstimmungsempfehlung einen Viertel ihrer Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen können.

Stellt deshalb jemand die Vertrauensfrage ins Führungsduo Meyer/Wermuth? Oder hat deshalb jemand Ex-Präsident Christian Levrat als erfolglos bezeichnet?

Der Vergleich zeigt: Beim Image von Parteien und ihren Präsidentinnen oder Präsidenten geht es nicht nur um Erfolg oder Nicht-Erfolg. Es geht auch darum, gegen innen und gegen aussen ein Feuer zu entfachen, eine Leidenschaft, eine Vision oder zumindest etwas, das danach aussieht.

Das ist Petra Gössi je länger, je weniger gelungen. Deshalb ist ihr Rücktritt folgerichtig und kommt zum richtigen Zeitpunkt – für sie und für die Partei.

Welten zusammenhalten

Und deshalb muss die wichtigste Eigenschaft für die neue Präsidentin, den neuen Präsidenten lauten: Begeisterung entfachen, positive Energien wecken, und die notorisch streitlustigen Liberalen in geordnete Bahnen lenken können. Das ist bei der FDP.Die Liberalen (wie sie sich selber nennen) umso schwieriger, weil ihr wichtigstes Alleinstellungs-Merkmal «liberal» so viele Interpretationen zulässt. Das hat man gerade wieder bei der Debatte ums CO2-Gesetz gesehen.

Was den einen eine perfekt liberale Lösung war, wurde von den anderen als «staatlich gelenkte Umverteilung» und entsprechend alles andere als liberal bezeichnet. Zwischen einem staatskritischen, eher libertären FDPler und einer sozialliberalen, feministisch angehauchten FDP-Politikerin liegen nun mal Welten.

Diese Welten muss die neue Präsidentin oder der neue Präsident zusammenhalten. Und den bestehenden und vor allem den neuen Wählerschichten überzeugend erklären, wofür die Liberalen denn wirklich stehen.

Urs Leuthard

Leiter Bundeshausredaktion

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Seit Sommer 2020 ist Urs Leuthard Leiter der Bundeshausredaktion von Fernsehen SRF. Bereits seit 2002 moderiert er das «Abstimmungsstudio» und analysiert Wahlen und Abstimmungen. Bis 2008 war er Moderator und Redaktionsleiter der «Arena», danach wechselte er zur «Rundschau», bevor er 2012 die Redaktionsleitung der «Tagesschau» übernahm.

Hier finden Sie weitere Artikel von Urs Leuthard und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 18 Uhr, 14.06.21

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