Häusliche Gewalt ist vor allem ein Männerproblem. In 95 Prozent der Fälle sind sie die Täter. Und es ist ein Delikt, das überdurchschnittlich häufig von ausländischen Männern begangen wird: Gemäss Polizeistatistik ist jeder zweite Täter Ausländer. Zum Vergleich: Der Ausländeranteil in der Schweiz liegt bei rund 25 Prozent.
Den Zusammenhang zwischen häuslicher Gewalt und kulturellem Hintergrund hat der Gewaltforscher Dirk Baier von der ZHAW untersucht. Er kommt zum Schluss: Menschen in der Schweiz, deren Eltern im Ausland geboren sind, sind häufiger für häusliche Gewalt verantwortlich, weil in vielen Herkunftsländern noch stärker eine Machokultur herrscht. «Der Mann ist der Mächtige und er kann seinen Willen mit Gewalt durchsetzen. Und Patriarchalität ist der entscheidende Faktor für diese Gewaltvorkomnisse in Familien.»
In gewissen Kulturen besonders hoch
Das Patriarchat bedeutet die Herrschaft des Mannes über die Frau und die Kinder. Baier befragte Jugendliche, wie sie zur Gewaltanwendung stehen. Seine Resultate zeigen, dass die Gewaltbereitschaft in gewissen Kulturen besonders hoch ist: «Wenn wir danach fragen, ob man Frau und Kinder prügeln darf, fallen Jugendliche mit türkischem Hintergrund, aus dem ehemaligen Jugoslawien und Sri Lanka erhöht auf. Sie haben bis zu viermal höhere Zustimmungsraten.»
Gleichzeitig hat Baier herausgefunden, dass Jugendliche aus diesen Kulturen überdurchschnittlich häufig selber Gewalt erfahren haben und solche Muster als Erwachsene weitergeben. Baier ist sich bewusst, dass es heikel ist, wenn man auf einzelne Ausländergruppen zeigt.
Dennoch verteidigt er seine Forschung: «Wenn man auf die muslimische Bevölkerung zeigt und sagt, dass es ein innerfamiliäres Gewaltproblem gibt, kann es zum Nachteil der Muslime werden. Das ist aber nicht der Sinn von solchen Analysen.» Der Sinn sei es, denen Hilfen zukommen zu lassen, die welche benötigen und deshalb brauche man solche Analysen.
Schule als Ort der Aufklärung
Für den Gewaltforscher ist klar, dass man einerseits potenzielle Opfer vor häuslicher Gewalt besser schützen, andererseits aber auch bei möglichen Tätern ansetzen muss: «Es braucht Aufklärungskampagnen und frühzeitige Massnahmen an Schulen, um die Bilder dieser Personen zurechtzurücken.»
Baier sieht die Schule als idealen Ort für Präventionskampagnen, weil dort Kinder aus allen Kulturen und Gesellschaftsschichten versammelt sind. Er ist überzeugt, dass es noch mehr Anstrengungen braucht, um künftig mehr Fälle von häuslicher Gewalt zu verhindern.
Dieser Ansicht ist auch Miriam Reber, Co-Präsidentin der Schweizerischen Konferenz gegen Häusliche Gewalt. Das ist der Zusammenschluss der kantonalen Fachstellen, die sich mit häuslicher Gewalt befassen.
Reber sagt, dass die Polizei und die Behörden vor allem Trennungssituationen genauer anschauen sollten: Denn bei einer Trennung sei die häusliche Gewalt oft nicht zu Ende. «Viele denken, dass sie aufhört, weil die gemeinsame Wohnung wegfällt. Aber gerade in der Trennungssituation kann es sehr gefährlich werden.»
Noch ein weiter Weg
Reber betont, dass Bund und Kantone in den vergangenen 20 Jahren im Kampf gegen häusliche Gewalt viel unternommen hätten: So seien etwa die gesetzlichen Grundlagen verbessert worden. Aber die Zahl von 18’000 Delikten im Jahr zeige, dass man noch lange nicht am Ziel sei.