Was brachte das Treffen in Brüssel? Bundespräsident Guy Parmelin trat um kurz nach 14 Uhr in Brüssel vor die Medien und machte klar: «Die Differenzen zwischen der EU und der Schweiz bleiben gross». Eine Einigung in entscheidenden Fragen gebe es nicht, man müsse jetzt die Situation in Brüssel, aber auch in der Schweiz neu «analysieren».
Es brauche eine klare Erklärung der EU zu den drei umstrittenen Punkten, damit die Waage wieder im Gleichgewicht sei, so Parmelin weiter.
Man müsse das Gesamtpaket in Betracht ziehen. Denn die Schweiz habe die dynamische Übernahme des EU-Rechts auf den Tisch gelegt, wie die EU das wollte. Als Gegenleistung verlange die Schweiz nun Präzisierungen in den drei bekannten Punkten: Beim Lohnschutz, bei der Unionsbürgerrichtlinie und bei den staatlichen Beihilfen.
Was sind nochmals die strittigen Punkte? Seit zwei Jahren hat sich hier nichts geändert: Der Bundesrat hatte bereits 2019 in einem Brief an die EU-Spitze Klärung in folgenden Punkten gefordert:
- Staatliche Beihilfen: Die Bestimmungen über staatliche Beihilfen im Rahmenvertrag dürfen keine Auswirkungen auf das bestehende Freihandelsabkommen von 1972 haben.
- Lohnschutz: Der Bundesrat will Rechtssicherheit, dass das Niveau des Lohnschutzes in der Schweiz erhalten bleibt.
- Unionsbürgerrichtlinie: Der Bundesrat präzisiert, dass Rahmenabkommen könne nicht so ausgelegt werden, dass diese EU-Richtlinie übernommen werden müsse.
Wie reagierte die EU-Behörde nach dem heutigen Treffen? Ein Sprecher der EU-Kommission betonte nach dem Treffen, dass die EU für praxisorientierte Lösungen offen sei, dass aber ein Herauslösen von Themen aus dem Abkommen schlicht und einfach nicht möglich sei. Ähnlich hatte sich bereits vor dem Treffen auch Ursula von der Leyen geäussert. «Ich denke, es ist möglich, Kompromisse zu finden (...)», sagte sie. Es brauche dafür aber auf beiden Seiten ein gewisses Mass an Flexibilität.
Wie geht es jetzt weiter? Dass die Differenzen deutlich und auch erheblich sind, ist erneut klar geworden. Dennoch, beerdigen wollte Parmelin das Rahmenabkommen noch nicht: «Wir bleiben in Kontakt», sagte er. Immerhin. Nach dem Treffen habe er seine Bundesratskollegen über die Gespräche informiert.
Die Schweiz müsse Klartext sprechen und deutlich sagen, was ihre Position sei und wo noch Probleme bestünden für die Schweizer Seite, so Parmelin weiter. «Falls der Bundesrat dieses Rahmenabkommen unterzeichnen soll, muss er in der Lage sein, das Parlament, das Volk und auch die Kantone zu überzeugen.» Das sei nicht nur im Interesse der Schweiz, sondern auch im Interesse der EU.
Was passiert, wenn es kein Rahmenabkommen gibt? Bundesrat Guy Parmelin gab hierzu nur ausweichend Auskunft. Zu Grabe tragen wollte er das Abkommen nicht, er sagte nur so viel: Man werde den Kontakt mit der EU halten und die Situation beobachten. Es sei nach langer Zeit das erste Mal, dass politische Verhandlungen stattgefunden hätten, so Parmelin weiter: «Man muss jetzt Klartext sprechen und aufzeigen, wo für die Schweiz noch Probleme bestehen.»
SRF-Bundeshauskorrespondent Andy Müller meint, dass der Bundesrat auf jeden Fall versuchen werde, den bilateralen Weg weiterzufahren und zu stärken, sollte das Rahmenabkommen scheitern.