Die Europäische Union wisse nicht, was die Schweiz eigentlich wolle, denn Bern stelle plötzlich Teile des ausgehandelten Rahmenabkommens wieder infrage. Das ist der Tenor des Protokolls, das diese Woche in die Medien gelangte.
Die Schweiz bezeichne neuerdings den Teil des Rahmenabkommens, indem es um den Lohnschutz geht – das Protokoll 1 – nur noch als Vorschlag der Europäischen Union (EU), dem die Schweiz nicht zugestimmt habe, wird behauptet. Das allerdings ist überhaupt nicht neu.
Dieses Protokoll 1 ist ein Vorschlag der Europäischen Union.
Aussenminister Ignazio Cassis betonte bereits kurz nach der letzten Verhandlungsrunde mit der EU, dieses Protokoll 1 sei vom Bundesrat nicht akzeptiert worden. Ausschnitt aus der Medienkonferenz vom Dezember 2018: «Dieses Protokoll 1 ist ein Vorschlag der Europäischen Union.»
Es ist auch nicht so, dass sich die Schweiz nun von einem Vertragstext distanziert, den sie gemeinsam ausgehandelt hat, wie die EU das darstellt. Fakt ist, dass die Schweiz dem Abkommenstext mit Protokollen und Anhängen nie zustimmte.
Das sagt die Schweizer Regierung
Der Bundesrat beschreibt es in seinen Erläuterungen zum Rahmenabkommen vom Januar 2019 so: «Anlässlich des Treffens von Bundesrat Ignazio Cassis mit EU-Kommissar Johannes Hahn am 23. November 2018 in Zürich erklärte die Europäische Union den vorliegenden Vertragsentwurf für endgültig und die Verhandlungen für beendet.»
Die Europäische Union erklärte den vorliegenden Vertragsentwurf für endgültig und die Verhandlungen für beendet.
Mit anderen Worten: Die Europäische Union hat die Verhandlungen abgebrochen – ohne Einigung mit der Schweiz. Für Stirnrunzeln sorgt auch, dass Brüssel nun vorgibt, die konkreten Forderungen der Schweiz nicht zu kennen. Bereits im Juni 2019 hat der damalige Bundespräsident Ueli Maurer der Europäischen Kommission einen Brief geschrieben.
Offene Fragen zwischen den Parteien
Es ist also konkret aufgelistet, was die Schweiz verlangt: Mit dem Rahmenabkommen übernehme die Schweiz zum Beispiel die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie nicht, die EU-Bürgern in der Schweiz den Zugang zur Sozialhilfe garantieren würde.
Der Brief stellte klar, «dass eine allfällige Übernahme der genannten Richtlinie durch die Schweiz nur mittels Verhandlungen zwischen den Parteien erfolgen kann.» Nun kommt es heute Freitag zum Spitzentreffen zwischen Guy Parmelin und Ursula von der Leyen. Die beiden haben einiges zu klären.