Die Verhandlungen um neue Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union schreiten voran. Es bleiben grosse Differenzen, vor allem beim Strom, bei der Personenfreizügigkeit und beim Lohnschutz. Die Übersicht zum Verhandlungspoker:
Differenzen beim Strom: Hier handelt es sich um ein Abkommen, das auf Wunsch der Schweiz verhandelt wird. Die EU könnte wohl gut mit und ohne Abkommen leben. Für Diskussionen sorgen nun Befürchtungen im Inland, vor allem weil der Strommarkt teilweise liberalisiert werden soll. Gewerkschaften befürchten, dass so kleinere Elektrizitätswerke unter Druck kommen könnten, weil sie gegen grosse, internationale Konkurrenz bestehen müssten. Die Bergkantone fürchten, rund um die Stauseen Einnahmen und Einfluss zu verlieren.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man das Stromabkommen entkoppelt und separat weiterverhandelt.
Die Optionen: Diskutiert wird, den Strom wieder ganz aus dem Vertragspaket zu streichen. Adrian Wüthrich, Präsident von Travailsuisse, sagt: «Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man das entkoppelt und separat weiterverhandelt.» Auch FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann sagt: «Das sollte man versuchen.» Die Idee: Es sollen Widerstände abgebaut und ein Verhandlungsabschluss rascher erreicht werden. Auch, weil Ende Jahr eine Übergangsfrist für die Forschungszusammenarbeit mit der EU ausläuft. Insider sagen, das könne eine Option sein, wenn die neuen EU-Verträge am Strom zu scheitern drohten. Allerdings sei im Paket wohl eine bessere Lösung im Strombereich auszuhandeln.
Forderung nach einer Schutzklausel: Hier handelt es sich um die zweite grosse Knacknuss. Die Schweiz will ein Entgegenkommen der EU und Einschränkungen der Personenfreizügigkeit (Schutzklausel). Die EU hat nun offenbar akzeptiert, dass sich je ein Verhandlungsteam ausschliesslich dieser Frage widmet. Angesichts der Tatsache, dass die EU zunächst gar nicht darüber sprechen wollte, sehen das einige als Fortschritt.
Was wir nicht erhalten, sind fixe Obergrenzen.
Die Optionen: Die Erwartungen in der Schweiz sind hoch. Gefordert wird vor allem von der Mitte und der FDP eine effektive Begrenzung der Zuwanderung im neuen Vertrag. Alt-Staatssekretär Michael Ambühl hat ein Modell mit EU-Vergleichswerten entwickelt. Wäre die Zuwanderung in der Schweiz, verglichen mit EU-Mitgliedstaaten, hoch, könnte die Schweiz Massnahmen ergreifen. Auch Bürgerliche wie FDP-Nationalrat Simon Michel sagen aber, das sei nicht realistisch: «Was wir nicht erhalten, sind fixe Obergrenzen, auch keine Ambühl’sche Formel.»
Lohnschutz absichern: Hier handelt es sich um die zentrale Forderung der Gewerkschaften. Bislang gibt es EU-seitig wenig Bewegung. Inzwischen verlangen Gewerkschaftsvertreter eine gesichtswahrende Lösung, also ein symbolisches Zugeständnis. In der Folge könnten sie sich darauf konzentrieren, den Lohnschutz, den sie europäisch nicht absichern konnten, mit innenpolitischen Forderungen an die Sozialpartner aufzufangen.