Die Schweiz möchte im geplanten Verhandlungspaket mit der EU auch ein neues Stromabkommen, um den Zugang zum europäischen Strommarkt sicherzustellen. Bereits 2007 hat sie mit Brüssel Verhandlungen aufgenommen, dann aber 2018 abgebrochen.
Auf diesen Arbeiten könnte man zwar aufbauen, sagt Christian Bühlmann, Botschaftsrat auf der Schweizer Mission bei der EU in Brüssel. Aber: «Das Stromabkommen 2018 war nicht fertig verhandelt. Wir waren basierend auf dem dritten Strombinnenmarktpaket der EU von 2009 sehr weit, aber es gab noch offene Fragen.»
Die neue Basis
Zudem habe sich die EU in den letzten fünf Jahren im Energiebereich stark weiterentwickelt und viele neue Regulierungen beschlossen, sagt Bühlmann und verweist auf das 2020 in Kraft getretene Clean-Energy-Package, auch 4. Strombinnenmarktpaket genannt. Das wäre quasi die neue Basis für Verhandlungen zu einem Stromabkommen.
Eine Analyse des Bundesamts für Energie zusammen mit dem Aussendepartement und der Strombranche habe ergeben, dass darin zwar keine «grossen Stolpersteine» enthalten seien, doch zahlreiche technische Anpassungen nötig würden.
Die vollständige Marktöffnung wurde überhaupt nicht hinterfragt, sie wurde nicht einmal diskutiert.
Auch über die vollständige Öffnung des Strommarkts müsste mit der EU erneut verhandelt werden. Die Schweizer Gewerkschaften lehnen eine solche vehement ab. Sie bleibe aber trotz Energiekrise eine Forderung der EU, macht der Botschaftsrat klar: «Die vollständige Marktöffnung wurde überhaupt nicht hinterfragt, sie wurde nicht einmal diskutiert. Der EU ist es ein Anliegen im Sinne eines fairen Wettbewerbs, dass auch die Schweiz ihren Strommarkt öffnen muss.»
Ehrgeiziger Sefcovic
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, hat bei seinem Besuch in der Schweiz im März die Absicht geäussert, Verhandlungen bis im kommenden Sommer abschliessen zu können. Morgen beantragt das Aussendepartement dem Bundesrat, «Eckwerte» dafür definieren.
Aber das bedeute noch nicht, dass Verhandlungen eröffnet werden könnten, sagt Bühlmann. Die «Sondierungsgespräche» mit der EU über alle Dossiers, die man verhandeln möchte, seien noch nicht abgeschlossen: «Sie laufen auf technischer Ebene auch nach dem Sommer weiter. Sie würden dann im zweiten Halbjahr abgeschlossen werden. Wir sondieren in diesen Gesprächen über ein gemeinsames Verständnis Schweiz-EU als Basis für die Aufnahme von Verhandlungen. Erst wenn dieses da ist, könnten beide Parteien intern die Verhandlungsmandate abholen und dann könnten die Verhandlungen beginnen. Das heisst 2024.»
Verhandlungen bis 2025
Frühestens im ersten Quartal 2024 könnten also Verhandlungen starten – über ein ganzes Paket von Abkommen und parallel über mehrere Dossiers gleichzeitig, so Bühlmann: «Beim Stromabkommen gibt es nach wie vor eine Reihe an offenen Fragen, und das wird seine Zeit brauchen.»
Bühlmann und das Bundesamt für Energie in Bern, in das er bald zurückkehren wird, gehen von Verhandlungen bis ins Jahr 2025 aus. Erst dann könnte der innenpolitische Prozess in der Schweiz und der EU starten. Eine Umsetzung des Stromabkommens dürfte dann 2026 oder 2027 realistisch sein.
Bühlmann dazu: «Es ist in dieser Grössenordnung und nicht früher. Wir werden für die Umsetzung des Stromabkommens Gesetzesänderungen im Stromversorgungs- und im Energiegesetz brauchen. Diese kommen ins Parlament und unterstehen dem fakultativen Referendum. Die Schweizer politischen Prozesse brauchen halt ihre Zeit.»