- Aussenminister Ignazio Cassis will das knappe Zeitfenster bis Ende Jahr nützen, ein Rahmenabkommen mit der EU zu schliessen.
- Im Zentrum steht für den Bundesrat die «Wahrung der langfristigen Interessen der Schweiz».
- Vor allem die Kommunikation über die Europapolitik soll künftig stärker beachtet werden und die Botschaften über EU-Angelegenheiten besser abgestimmt werden.
- Als organisatorischer Reset-Knopf werden die gesamten Verhandlungen mit der Europäischen Union künftig von einer einzigen Person geführt: Dem neuen Staatssekretär Roberto Balzaretti.
Der Bundesrat hat an seiner Klausurtagung eine erste umfassende Diskussion über die Europapolitik geführt. Vor den Bundeshaus-Medien informierte Aussenminister Ignazio Cassis, dass der Bundesrat die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU weiterentwickeln wolle. «Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sind über eine lange Zeit gewachsen», sagte Cassis.
Die Interessen der Schweiz bestünden darin, Zugang zum EU-Binnenmarkt zu haben. Darum sei eine Regelung der entsprechenden institutionellen Fragen ebenfalls im Interesse der Schweiz. Von einem solchen Rahmenabkommen wären fünf Abkommen betroffen.
«Nach 19 Verhandlungsrunden mit einer positiven Entwicklung gab es eine Dynamik.» Aber mit der Schweiz auf einer «grauen Liste» bei der Unternehmensbesteuerung und der Anerkennung der Gleichwertigkeit für die Schweizer Börse in der EU («Börsenäquivalenz») nur für ein Jahr habe diese Dynamik gebremst: «Wir sind in gewissen Punkten in eine Sackgasse geraten.»
Rahmenabkommen bis Ende Jahr bleibt Ziel
Das Verhandlungsmandat mit der EU gebe es schon vier Jahre. Inzwischen sei aber einiges passiert, erklärte Cassis: Etwa der Brexit und nach der EU-Schuldenkrise eine positive Wirtschaftsdynamik. «Die EU stellt sich heute kompakter und selbstbewusster dar und ist weniger bereit als vorher, Konzessionen zu machen. Nicht, weil die Schweiz weniger sympathisch ist als früher, aber weil andere Länder auch Erwartungen haben.»
Der Bundesrat bleibe darum bei seiner Meinung, ein Rahmenabkommen zu schliessen. «Aber wir wollen nicht irgendein Rahmenabkommen und sind auch nicht bereit, alles zu unterschreiben.» Ein «Window of opportunity», das Zeitfenster für Verhandlungen dauere im laufenden Jahr noch etwa zehn Monate. «Wir haben jetzt noch bis Ende 2018 Zeit, um uns mit der EU zu einigen. Gelingt das nicht, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es etwas länger dauern wird.» Denn 2019 werde kaum etwas passieren, weil die EU und auch die Schweiz in Wahlprozessen stehen werde.
Der organisatorische «Reset-Knopf»
In Zukunft will der Bundesrat der Kommunikation über die Europapolitik eine stärkere Bedeutung beigemessen. Dafür müsse die Koordination zwischen den Departementen und die zu vermittelnden Botschaften über EU-Angelegenheiten eine zentrale Rolle spielen. «Diese Reorganisation ermöglicht es uns vorwärts zu gehen und aus der Sackgasse in der Kommunikation herauszukommen. Wir wollen Klarheit. Das erwarten wir von der EU. Und das müssen wir auch zeigen», sagt Cassis.
Darum hat der Bundesrat für die Koordination der gesamten Verhandlungen mit der Europäischen Union Botschafter Roberto Balzaretti zum Staatssekretär ernannt. Er übernimmt ab sofort die Direktion für europäische Angelegenheiten von der bisherigen Staatssekretärin Pascale Baeriswyl.
Weil das Europa-Dossier jetzt bei Roberto Balzaretti liege, gebe es «einen Kommandanten, eine Truppe und ein Terrain». Ein Chef genüge und der müsse gut führen, sagt Cassis.
Beide Staatsekretäre seien ihm direkt unterstellt, betonte der Aussenminister. «Staatssekretärin Baeriswyl bleibt verantwortlich für den Rest des Planeten ausserhalb der EU. Da gibt es genügend zu tun im Nahen Osten, Ukraine, Indien oder Südamerika. Etwa in Wirtschaftsfragen oder Menschenrechten.»
Nicht um jeden Preis
Dieser organisatorische Reset-Knopf diene dazu, die wirtschaftliche Situation und vor allem den Finanzplatz Schweiz zu beruhigen. Dazu äusserte sich auch Balzaretti: «Am Ende soll ein Abkommen stehen, dass die Interessen der Schweiz verteidigt. Wenn das nicht gelingt, dann gibt es kein Abkommen.»
Cassis betonte, alles zu machen, was nötig sei, «um die Vorausschaubarkeit, die Rechtssicherheit und die Ruhe wiederzufinden. Wenn möglich, erreichen wir das, wenn nicht, dann halt nicht. Das darf man nicht dramatisieren.»