Zu Gast bei Freunden. Unter diesem Motto, so scheint es, hat Bundesrätin Viola Amherd am Donnerstag und Freitag ihre Amtskollegin Klaudia Tanner und den deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in Bern empfangen. Dieser zeigte sich geradezu verliebt in die Bundesstadt: «Es ist mein erster Besuch in Bern und ich bin ganz eingenommen von dieser wunderschönen Stadt. Vielen Dank, Viola, dass Du auch für die Sonne gesorgt hast.»
Eitler Sonnenschein in Bern, aber nicht, was die Weltlage betrifft. Alle drei zeigten sich besorgt über den Krieg in der Ukraine, anschwellende Konflikte in Kosovo und den Bürgerkrieg im Sudan. Mit der Sicherheitslage begründeten sie eine grössere Kooperation im Rüstungsforschungsbereich, bei Auslandseinsätzen und bei der gemeinsamen Luftverteidigung.
Es gehe darum, Beschaffungsvorhaben zur Luftverteidigung in Europa besser zu koordinieren, um Skaleneffekte zu nutzen und um die Interoperabilität zu verbessern, erklärte Amherd: «Mit dieser Initiative ermöglichen wir Kooperation in der Ausbildung, im Unterhalt und in der Logistik.»
Dass das ganze Vorhaben mehr ist als eine Einkaufsgemeinschaft für Rüstungsgüter, machte Pistorius deutlich, als er von zwei militärischen Lehren aus dem Ukraine-Krieg sprach: Die Notwendigkeit, die Verteidigungssysteme miteinander operieren zu lassen und sie auch austauschen zu können.
Amherd betont Zusatzerklärung
«Interoperabilität» – dieses Stichwort ist für die Gegnerschaft einer Nato-Annäherung der Beweis, dass die Schweiz damit ihre Neutralität verliert oder verlieren könnte. Bundesrätin Amherd beruhigte diesbezüglich.
Es bedeutet, dass wir uns im Ernstfall nicht in einen Konflikt anderer Länder einmischen.
Alles sei neutralitätsrechtlich konform. Auch habe sie mit der österreichischen Kollegin eine Zusatzerklärung unterschrieben, damit die Neutralität gewahrt bleibe: «Es bedeutet, dass wir uns im Ernstfall nicht in einen Konflikt anderer Länder einmischen. In welcher Form spielt eigentlich keine Rolle. Es darf keine Einmischung geben.»
Klare Worte von Pistorius
Am gemeinsamen Auftritt überraschte, dass auch Differenzen geradezu undiplomatisch offen thematisiert wurden. So machte Pistorius deutlich, dass er von der Schweiz eine andere Haltung in Sachen Kriegsmaterial-Weitergabe an die Ukraine erwartet habe.
Deutschland hätte gerne Fliegerabwehrmunition für den Gepard-Panzer, die aus der Schweiz stammt, an die Ukraine weitergegeben. Zusätzlich auch Leopard-1-Panzer, die sich im Besitz der staatlichen Schweizer Rüstungsfirma Ruag befinden.
Doch Pistorius machte klar: «Ich respektiere im vollen Umfang die Neutralität der Schweiz.» Gleichzeitig machte er keinen Hehl daraus, dass er die Entscheide diesbezüglich falsch finde. Man ist zu Gast bei Freunden – denen man auch mal die Meinung sagen darf, ohne gleich Geschirr zu zerschlagen.