Algier, Mitte Februar. Robert Habeck stellt sich für ein Instagram-Video auf eine Dachterrasse in Algeriens Hauptstadt und schwärmt: Das nordafrikanische Land könne mit Solarstrom Wasserstoff produzieren. «Algerien hat ideale Bedingungen dafür – und vor allem hat es eine Gaspipeline nach Europa», sagt der deutsche Wirtschaftsminister. «Es gibt ein sehr konkretes Projekt, diese Gaspipelines zu Wasserstoffpipelines umzuwandeln. Diese gehen durchs Mittelmeer, hoch über Italien und kommen quasi um die Alpen herum in Süddeutschland an.»
Um die Alpen herum – aus Schweizer Sicht ist dies das Problem: Die erste Ausbauetappe des europäischen Wasserstoffnetzes soll Italien und Deutschland in einem weiten Bogen über Wien verbinden, an der Schweiz vorbei.
Das beschäftigt Energieminister Albert Rösti. Eine Anbindung der Schweiz sei wichtig: «Denn wir können selbst nicht viel Wasserstoff produzieren. Wir werden somit den Hauptanteil an Wasserstoff importieren, wenn er dereinst in der Industrie stark genutzt wird.»
Eine Milliarde für den Anschluss
Es gibt einen Plan für einen Schweizer Anschluss. Er kommt von der Firma FluxSwiss, der Betreiberin der Schweizer Erdgas-Transitleitung von Norden nach Süden. Diese will sie zusätzlich für Wasserstoff nutzen.
In der Nordschweiz sei die Leitung doppelt geführt, eine Umrüstung somit einfach, sagt Rudy Van Beurden von FluxSwiss. Aufwändiger werde die Strecke durch die Alpen: «Hier müssen wir eine Parallelleitung durch den bestehenden Stollen bauen.»
Van Beurden sagt erstmals, wie viel die Umrüstung kosten könnte: rund eine Milliarde Franken. «Es geht um eine Zeitspanne von 30, 40 Jahren – dann ist eine Milliarde nicht so viel. Es ist eine Absicherung für die Schweiz.»
Die Milliarde lasse sich auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Zusätzlich brauche es aber eine staatliche Absicherung für den Fall, dass sich Wasserstoff langsamer durchsetze als erwartet: «Wir müssen besprechen, wie man das in der Schweiz machen kann. In Deutschland arbeitet man an einer Lösung. Wenn der Markt-Hochlauf nicht ausreicht, wird der Staat dies kompensieren.»
Energieminister Rösti und sein Departement geben sich unverbindlich: Eine Absicherung werde geprüft. Ende Jahr lege der Bundesrat eine Wasserstoff-Strategie vor.
Beim Geld gibt es also Fragezeichen – ebenso beim Tempo: FluxSwiss hat bei der Vereinigung der europäischen Gasnetzbetreiber beantragt, dass die Schweiz doch noch in die erste Ausbauetappe aufgenommen wird. Das sei auch im europäischen Interesse, sagt Van Beurden. Die Leitung über Österreich führe nämlich am wichtigen Bundesland Baden-Württemberg vorbei. Zudem sei der Weg durch die Schweiz kürzer und somit wirtschaftlicher im Betrieb.
Diese Leitung soll im Herbst offiziell bei der EU angemeldet werden. Hier ist der Zug nicht abgefahren.
Der Bescheid der europäischen Netzbetreiber steht noch aus. Im nächsten Schritt kommt die EU ins Spiel: Sie könnte die Leitung durch die Schweiz als «Projekt von gemeinsamem Interesse» anerkennen. Das würde Verfahren vereinfachen und Zuschüsse möglich machen.
Hier also wird es politisch. Und hier gibt Bundesrat Rösti dem Projekt Rückendeckung. «Die Leitung soll im Herbst bei der EU angemeldet werden. Hier ist der Zug nicht abgefahren.»
Noch hat die Schweiz den Wasserstoff-Anschluss also nicht verpasst. Spannende Diskussionen stehen an – über Geschwindigkeit, Geld und Garantien.