Dass Rechtsextremisten in der Menge der Corona-Massnahmengegner mitlaufen, sei nichts Neues. Einzig, dass sie jetzt zuvorderst marschieren, sei neu, sagt Giorgio Andreoli von der Informationsstelle «Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus»: «Die Szene war von Anfang an bei diesen Demonstrationen dabei. Jetzt hat sie eben den Lead übernommen.»
Vorbild aus dem Ausland
Rechtsextreme, die an Demonstrationen prominent mit Transparenten vorneweg laufen: Die rechtsextreme Szene in der Schweiz habe diese Taktik in Deutschland und vor allem in Österreich abgeschaut, sagt Hans Stutz. Er beobachtet die Szene seit Jahren. Der Vorfall in Bern, wo Rechtsextremisten mit einem Banner die Demo anführten, sei nicht ihr erster Anlauf gewesen.
«In Schaffhausen gab es kurz zuvor bereits einen ersten Versuch. Wichtig zu wissen ist, dass das auch international zu beobachten war. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland ist es Rechtsextremen gelungen, sich an die Spitze von Demonstrationszügen zu setzen. Und sie wurden nicht vertrieben.»
Es sind dieselben Parolen, die in Wien und in Bern zu sehen sind. Die neue rechtsextreme Szene sei international eng vernetzt. Und das Ziel sei überall dasselbe: Aufmerksamkeit – und junge Menschen ansprechen, sagt Hans Stutz: «Mehr gesellschaftliche Resonanz zu haben und damit mehr politisches Gewicht zu bekommen.»
Genutzte Gelegenheit
Die Rechtsextremisten nutzten das Vakuum in der Bewegung der Massnahmengegner und -gegnerinnen. Seit der letzten Volksabstimmung über die Corona-Massnahmen sei die Bewegung orientierungs- und führungslos. In diese Lücke drängt die zahlenmässig kleine Gruppe von Rechtsextremisten. In Bern waren es rund 40, die eine Demo von 2000 Menschen anführten.
Zwar distanzierten sich einzelne Vertreterinnen und Exponenten der Massnahmengegner von rechtsextremem Gedankengut. Auf Twitter war zu lesen, es sei eine Schande. Viele Massnahmenkritiker seien erschüttert, dass Neonazis vorneweg marschierten.
Keine klare Stellungnahme
Von den Gruppierungen selbst fehlen aber meist eine deutliche Stellungnahme. Auf den Internetseiten der massnahmenkritischen Gruppen sucht man in den meisten Fällen vergeblich nach einer Verurteilung der Vorfälle in Bern, Anfragen von Radio SRF blieben unbeantwortet.
So zeigt sich bei den nächsten Massnahmen-Demos, ob die Tolerierung von Rechtsextremen wie am Umzug in Bern ein Einzelfall bleibt oder nicht.