Die Bahnvorlage FABI hat im Parlament die erste Hürde genommen. Der Nationalrat trat auf den Gegenvorschlag zur VCS-Initiative ein. In einer Monsterdebatte beriet er die ganze Gesetzes-Vorlage und verabschiedete sie zuhanden des Ständerates.
Die SVP zog ihre Forderung zurück, das Grossprojekt für eine neue Bahnfinanzierung an den Bundesrat zurückzuweisen.
Verkehrsministerin Doris Leuthard kündigte an, dass der Bundesrat nach den Sommerferien eine solche Vorlage in eine Vernehmlassung schicken werde. Von dieser Ankündigung zeigte sich die SVP überzeugt und zog die Forderung zurück.
Leuthard: Elogen sind unangebracht
Die Bundesrätin zeigte sich jedoch erstaunt, dass der Nationalrat bei der VCS-Initiative mit hohen Elogen eingestimmt hat. Infrastrukturen seien wichtig auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Dazu gehöre aber auch die Strasse, sagte Leuthard weiter.
Die Finanzierung des Verkehrs sei bei der VCS-Initiative ein «Konstruktionsmangel», erklärt die Verkehrsministerin. Man lagere nämlich die Mittel der Strasse einfach auf die Bahn um. Die Initiative spiele eben die Strasse gegen die Schiene aus.
Zudem sei die bundesrätliche FABI-Vorlage ausgewogen, betont Leuthard weiter. So berücksichtige sie zum Beispiel auch die Stadt-Land-Situation. Dies sollte nicht mit einer einseitigen Verkehrspolitik gefährdet werden.
Warnung vor höheren Billettkosten
Der Bundesrat akzeptiere die vom Ständerat beschlossene Aufstockung der Ausbaupläne, weil gleichzeitig die Finanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung sichergestellt sei, sagte Leuthard. Zu den Folgen der grosszügigen Haltung redete Leuthard den Nationalräten aber ins Gewissen.
Der grössere Ausbauschritt bedeute, dass die Bahnen mehr Rollmaterial anschaffen und höhere Betriebskosten tragen müssten, sagte die Bundesrätin. «Das wird sich auf die Preise niederschlagen.» Die Befürworter eines grösseren Ausbauschrittes müssten höhere Billettpreise auch verteidigen.
Pendlerabzug wird beschränkt
In der Detaildebatte um die Finanzierung der Verkehrsvorlage stiess vor allem der Pendlerabzug auf Kritik. Während beispielsweise Lorenzo Quadri (Lega/TI) keine Plafonierung der Pendlerabzüge in der Bundessteuer forderte, propagierten die Grünliberalen eine totale Abschaffung der Möglichkeit, einen Pendlerabzug zu tätigen. Bundesrätin Leuthard erteilte beiden Extremvorschlägen eine Abfuhr.
Debatte im Nationalrat
Der Nationalrat folgte den Argumenten der Verkehrsministerin. Wer weite Strecken zur Arbeit zurücklegen muss, kann die Kosten dafür künftig nicht mehr unbegrenzt von den Steuern abziehen. Der Nationalrat hiess wie der Ständerat die Begrenzung des Pendlerabzugs gut. Damit sollen 200 Millionen Franken für die Bahn frei werden.
Die vom Ständerat vorgeschlagene Mehrwertsteuer-Promille zur Finanzierung der zusätzlichen Ausbaupläne lehnten die Bürgerlichen ab. «Die Mehrwertsteuer droht zu einem Gefäss zu werden, aus dem man sich beliebig zur Befriedigung politischer Wünsche bedienen kann», sagte Gabi Huber (FDP/UR). Der Rat folgte jedoch nicht diesen Argumenten und stimmte mit 126 zu 165 Stimmen zu.
Die Strasse als Milchkuh für die Bahn
Immer wieder wurde in der Debatte der Individualverkehr als Milchkuh zur Finanzierung der Schiene bezeichnet. Auch die lancierte Milchkuh-Initiative wurde oft erwähnt. Vor allem die bürgerliche Seite des Nationalrats stösst sich daran, dass die Bahn mit Einnahmen aus der Strasse quersubventioniert wird. Bundesrätin Leuthard entgegnete, dass über alle Staatsebenen gesehen nicht unbedingt von einer Quersubventionierung gesprochen werde könne.
Hier echauffierte sich Bundesrätin Leuthard und betonte, dass der Staat seit Jahrzehnten von den Autofahrern die gleichen Abgaben verlange. «Wo ist dann bitte die Milchkuh?», fragte die Verkehrsministerin das Plenum. Mit der beschlossenen Erhöhung des Vignettenpreises und der geplanten Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags stehen allerdings weitere Belastungen des Privatverkehrs zur Diskussion. Nach vierzig Jahren möchte der Bundesrat auch den Autofahrer vermehrt in die Pflicht nehmen.
Poker um jede Strecke
Bei den Ausbauwünschen wurde vor allem die Strecke Schaffhausen-Basel heftig diskutiert. UVEK-Vorsteherin Leuthard zeigte sich hier erstaunt. Die Gelder des FinöV-Fonds gehen direkt in den Bahninfrastrukturfonds BIF über. Und da könne man nicht noch zusätzliche Wünsche stellen.
Der Ausbauwunsch zwischen Schaffhausen und Basel, sprich die Elektrifizierung der Strecke, konkurrenziere ganz klar die anderen Ausbaupläne. «Hinzu kommt noch, dass bei der Deutschen Bahn die Strecke Schaffhausen-Basel nicht einmal zweite Priorität ist», betonte die Bundesrätin. Aus Deutschland sei nicht gesagt, dass das schon finanziert sei. Der Nationalrat folgte der Bundesrätin nicht und will den Ausbau der Strecke fördern.
Nicht verkneifen konnten sich mehrere Redner Seitenhiebe zum Antrag, da in den Reihen der SVP die gleichen Nationalräte die Erhöhung der Mittel für die Bahn bekämpften, sich aber dennoch für weitere Ausbauten in ihren Regionen einsetzten. So hatte Hurter zuvor die Begrenzung des Pendlerabzugs abgelehnt.
Zuletzt beschloss der Nationalrat die Abstimmungsempfehlung für die VCS-Initiative. Die Grosse Kammer möchte die Initiative ablehnen und will vom Volk ein Ja zum bundesrätlichen FABI-Gegenvorschlag. Die Minderheit von Regula Rytz (Grüne/BE) hatte keine Chance. Sie forderte ein doppeltes Ja mit Vorzug für FABI. Das Geschäft geht in den Ständerat.