Vor Lugano schiessen die Züge mit rund 200 Stundenkilometern aus dem Ceneri-Tunnel. Danach holpern sie gemächlich auf der alten Trasse dem See entlang durch die Dörfer in Richtung Chiasso. Das könne nicht sein, die Neat müsse unterirdisch bis Chiasso weitergebaut werden, fordern lautstark und regelmässig Tessiner Politiker.
«Der Gotthard- und Ceneri-Basistunnel sind gewaltige Bauwerke, aber es sind unfertige Werke, weil sie in Lugano enden», unterstreicht FDP-Nationalrat Alex Farinelli. Damit die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene wirklich gelinge, brauche es die unterirdische Verbindung nach Chiasso. Ohne diesen Weiterzug sei die Neat unfertig und nicht zufriedenstellend.
Ohne diesen Weiterzug ist die Neat unfertig und nicht zufriedenstellend.
Die Tessiner Regierung soll jetzt eine Studie in Auftrag geben, die den Schaden dieser nicht fertig gebauten Neat in Zahlen aufzeigt. Dafür hat sich das Parlament für einmal einstimmig ausgesprochen. Das Ziel: Handfeste Beweise in Bundesbern für den Weiterbau der Neat nach Süden.
In Bern kenne man die Bedürfnisse der Region nach einem Ausbau zwischen Lugano und Chiasso gut, sagt Olivia Ebinger, Sprecherin beim Bundesamt für Verkehr: «Solche Wünsche gibt es vielerorts in der Schweiz. Nur reicht das Geld nicht für all diese Bedürfnisse.» Die Neat unterirdisch in Richtung Süden weiterzubauen, würde mehrere Milliarden Franken kosten.
Solche Wünsche gibt es vielerorts in der Schweiz. Nur reicht das Geld nicht für all diese Bedürfnisse.
Die Bedürfnisse beim Bahnausbau werden heute dort erfüllt, wo die Kapazitäten knapp sind, wo es Engpässe gibt und wo Sitzplätze fehlen. Und die fehlen im Tessin eben nicht. Die Züge sind nicht völlig ausgelastet und entsprechend sind die Kriterien für den Ausbauschritt an die Grenze nicht erfüllt.
Mehr Lobbying für neue Kriterien?
Das könnte sich laut Ebinger aber ändern, wenn die Politik die Kriterien anpasst: «Wenn sich zum Beispiel die Politik dafür entscheidet, dass eine kürzere Fahrzeit wichtiger ist, dann verschiebt sich die Priorisierung der Projekte.» Wenn es den Tessinern mit dem Weiterbau der Neat Richtung Chiasso also ernst ist, müssen sich in Bern für andere Entscheidungskriterien bei Bahnprojekten einsetzen.
Lobbyieren die Tessiner Politiker in Bern genug für das Projekt? «Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich waren wir zu stark mit anderen Themen wie etwa dem Ceneri-Tunnel beschäftigt, der für uns enorm wichtig ist» räumt Farinelli ein: Jetzt müssten aber die Kräfte für den Bau von Lugano Sud gebündelt werden.
Jetzt müssen wir aber wirklich die Kräfte für den Bau von Lugano Sud bündeln.
Wenn es den Tessinerinnen und Tessinern gelingt, die ausschlaggebenden Kriterien zu ändern, damit die unterirdischen Geleise bis nach Chiasso gebaut werden, brauchen sie allerdings Geduld. Denn ein solcher Bau würde frühestens in 30 Jahren Realität.