Er verkauft sich auf sozialen Medien als «Influencer» und Organisator von VIP-Partys und hat auf Instagram Tausende Follower. Doch hinter der glänzenden Fassade tun sich Abgründe auf: Der 30-jährige Mann soll mehrere Frauen vergewaltigt haben.
Ende März muss er sich in Zürich vor Gericht verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der «Tages Anzeiger» hat drei Jahre zu diesem Fall recherchiert.
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Bild 1 von 2Legende: Partys in exklusiven Clubs, teure Autos, dazu reichlich Alkohol – und viele junge Frauen. So präsentiert sich der Angeklagte in den sozialen Medien. Doch hinter dieser Glitzerwelt verbirgt sich eine dunkle Seite: Mehrere Frauen haben den Mann angezeigt. Instagram/Screenshot 10v10
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Bild 2 von 2Legende: Auf Social Media sorgt ein vermeintliches Luxusleben für viele Likes. (Symbolbild) Ralph Peters/Imago Images
Ins Rollen gebracht hat den Fall ein anonymes Instagram-Konto, bei dem sich betroffene Frauen melden konnten. Ist das Schweizer Sexualstrafrecht auf solche Fälle vorbereitet?
«Foto-Shootings» für Frauen
Laut Staatsanwaltschaft soll er die Frauen mehrfach sexuell genötigt und vergewaltigt haben – etwa im Rahmen von Foto-Shootings, bei denen er den Frauen eine Modelkarriere versprach. Sechs Jahre Gefängnis fordert die Anklage. Bereits vor einem Jahr wurde der Mann vom Bundesgericht in einem anderen Fall als Sexualstraftäter rechtskräftig verurteilt.
Die Verteidigerin des Angeklagten hat sich gegenüber SRF schriftlich zu den Vorwürfen geäussert: «Mein Klient streitet ab, dass die sexuellen Kontakte gegen den Willen der Frauen geschahen. Die Frauen hatten nach den angeblichen Vorfällen teilweise weiter Kontakt mit meinem Klienten und haben die ihm vorgeworfenen Taten jahrelang nicht angezeigt. (...) Bei zwei Frauen hat die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe von Sexualdelikten bereits fallen lassen.»
Die fünf verbliebenen Fälle, die vors Zürcher Bezirksgericht kommen, liegen länger zurück. Wieso melden sich Betroffene erst Jahre nach einem Vorfall?
«Viele versuchen, das Erlebte hinter sich zu lassen», sagt Agota Lavoyer, die jahrelang als Opferhilfeberaterin tätig war und einen Ratgeber für Opfer herausgegeben hat.
Viele haben auch grosse Angst, zu Recht, vor einem Strafverfahren, vor dem, was auf sie zukommt.
Viele hätten auch zu Recht grosse Angst vor einem Strafverfahren, vor dem, was auf sie zukommt. «Sie wissen, dass Strafverfahren lange dauern kann, dass es emotional und psychisch wahnsinnig belastend ist. Und es wissen auch alle, dass die Chance, dass es zu einer Verurteilung kommt, bei sexualisierter Gewalt leider sehr klein ist.»
In 80 Prozent keine Verurteilung
In der Schweiz gibt es keine genauen Zahlen, wie viele Sexualdelikte vor Gericht landen und wie oft es zu einem Urteil kommt. Der Kanton Zürich hat jedoch die abgeschlossenen Fälle der Jahre 2016 bis 2018 ausgewertet. In rund 80 Prozent der über 400 Fälle kam es zu keiner Verurteilung. Der forensische Psychologe Jérôme Endrass kritisiert das Schweizer Sexualstrafrecht.
Er findet: Wie in anderen Lebensbereichen bräuchte es auch beim Sex zuerst ein «Ja».
Im Sexualstrafrecht muss man sich keine Einwilligung einholen.
«Wenn jemand in eine Wohnung eindringt und dort einfach den Fernseher mitnimmt, würde man davon ausgehen, dass es ein Diebstahl ist – sofern er sich nicht vorgängig die Einwilligung geholt hat, dass er den Fernseher mitnehmen darf», sagt Endrass. Im Sexualstrafrecht müsse man sich keine Einwilligung einholen. Das stünde im krassen Gegensatz zum sonst geltenden Recht.
Influencer nach altem Recht beurteilt
Das Bundesparlament entschied sich für eine weniger weitgehende Reform: Seit letzten Juli gilt die sogenannte «Nein heisst Nein»-Regelung.
Nach dieser kann ein Täter verurteilt werden, wenn er das «Nein» oder non-verbale Zeichen des Opfers ignorierte.
Dieser Fall wird aber noch nach dem alten Recht beurteilt. Bedeutet: Die Anklage wird beweisen müssen, dass der mutmassliche Täter körperliche oder psychische Gewalt angewendet hat.