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Fallzahlen steigen Corona-Hotspot: Ist St. Gallen das neue Genf?

Im Gegensatz zu den anderen Kantonen entwickelt sich St.Gallen zum Corona-Hotspot. Eine Spurensuche des Ostschweiz-Korrespondenten.

Die Fallzahlen im Kanton St. Gallen stagnieren seit Tagen, nehmen im Gegensatz zu anderen Kantonen eher zu als ab. Was macht St. Gallen zum Corona-Hotspot?

Während andernorts ein Corona-Lockdown oder eine Maskenpflicht verhängt wurde, wartete man im Kanton St. Gallen zu. Noch im August stellte sich die Regierung unter der Leitung von Gesundheitsdirektor Bruno Damann gegen die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Bürgerliche Regierung handelt zurückhaltend

Als Mediziner und ehemaliger Hausarzt konnte er die zurückhaltende Haltung glaubwürdig vertreten und erntete von der Bevölkerung und der Wirtschaft grösstenteils Zuspruch. Bis Ende Oktober war die St. Galler Regierung auf einem eigenen, liberalen Kurs, setzte im Kanton nur die Vorschriften des Bundes um. Zur Begründung wurde angeführt, dass es bei einem langsamen Rückgang der Fallzahlen auch nicht von einem explosiven Anstieg auszugehen sei.

Die Konsequenz: Die Fallzahlen stagnieren oder steigen an einigen Tagen teilweise wieder an. Plötzlich zählt der Kanton St. Gallen in der Deutschschweiz am meisten Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner. Und das nicht nur aufgrund einzelner Hotspots beispielsweise in Heimen, welche die Zahlen auch beeinflussen.

Im wöchentlichen Bulletin des Kantons heisst es seit Anfang November, das Contact Tracing sei ausgelastet und man warte die Wirkung der Massnahmen von Ende Oktober ab. Die Auslastung auf der Intensivstation des Kantonsspitals St. Gallen ist auf einem hohen Niveau stabil.

Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber vielleicht hätte die Regierung doch früher mit präventiven Massnahmen reagieren müssen, statt abzuwarten. Gehen die Fallzahlen nicht runter, wird der Kanton schon nächste Woche schärfere Massnahmen verhängen müssen.

Erste Welle vs. zweite Welle

Bei der ersten Welle der Corona-Pandemie kam die Ostschweiz mit einem blauen Auge davon. In Appenzell Innerrhoden oder in Glarus war lange gar kein Corona-Fall bekannt. So hat es auch die Bevölkerung nur sehr punktuell getroffen. «Das Virus ist nicht in meiner Nähe», dachten sich viele. Man kennt niemanden, der sich mit Covid-19 angesteckt hat.

Dementsprechend sorglos gingen wir St. Gallerinnen und St. Galler mit dem Einhalten von Schutzmassnahmen im Alltag um. Die zweite Welle überraschte dann die «unvorbereiteten» St. Gallerinnen und St. Galler umso mehr.

Situation in den umliegenden Kantonen

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Auch im Kanton Thurgau steigt die Zahl der Neuinfektionen. Dies jedoch langsamer als im Kanton St. Gallen. Auch der Sieben-Tage-Schnitt liegt fast zwei Drittel tiefer als im Nachbarkanton. Hochgerechnet auf 100'000 Einwohner belegt Thurgau im kantonalen Vergleich Platz zehn, gefolgt von Graubünden auf Platz elf.

Der Kanton Graubünden verzeichnete ab Mitte November steigende Zahlen, welche gegen Ende Monat wieder leicht sanken und nun bei 80 bis 90 neu gemeldeten Infektionen pro Tag stagnieren. Die Bündner Regierung ist mit dieser Entwicklung nicht zufrieden und hat nun beschlossen, dass die Restaurants im Kanton für zwei Wochen schliessen müssen.

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden bleiben die Fallzahlen stabil. Derzeit verzeichnet der Kanton rund 46 Fälle pro 100'000 Einwohner und liegt damit im kantonalen Vergleich auf Rang sieben.

Nach der ersten Welle im Frühjahr verzeichnete der Kanton Appenzell Innerrhoden bis Anfang September keine Neuinfektionen. Im Durchschnitt wurden nun im Kanton in den vergangenen sieben Tagen weniger als fünf Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Innerrhoden hat somit den tiefsten Sieben-Tage-Schnitt aller Kantone. Bei den Fallzahlen pro 100'000 Einwohner belegt Innerrhoden den viertletzten Platz.

Tiefere Zahlen verzeichnet der Kanton Glarus , welcher mit 25 Fällen pro 100'000 Einwohner im kantonalen Vergleich nur Nidwalden den Vortritt lassen muss. Tendenziell sinken die Fallzahlen in Glarus.

Zahlen in der Rheintaler Grenzregion auffallend

Lange Zeit seien die Fallzahlen in den Wahlkreisen Rheintal und Werdenberg auf einem hohen Niveau gewesen, so der Gesundheitsdirektor Bruno Damann. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Virus auch täglich unter anderem aus Österreich in den Kanton St. Gallen mitgebracht werde.

Allerdings gibt der Gesundheitsdirektor zu bedenken: «Es kann jeden treffen». Egal, wie gut man auf Hygienemassnahmen achte. So hat es auch ihn erwischt, er war die letzten Tage zuhause in Isolation.

Die Hochrechnung kann auch Ängste auslösen

Von Politikern, Ärzten oder der Bevölkerung wird der Vorwurf erhoben, der St. Galler Regierung sei die Wirtschaft wichtiger als die Gesundheit der Menschen. Die Regierung verteidigt sich und pocht auf «Verhältnismässigkeit». Noch seien die Intensivstationen nicht total überfüllt, und es gebe keine überdurchschnittlichen Todeszahlen.

Es gibt einige Indizien, die St. Gallen zum Hotspot machen, abschliessend lässt sich der erste Platz aber nicht erklären.

Reto Hanimann

Ostschweiz-Korrespondent, SRF

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Der Ostschweiz-Korrespondent arbeitet als Redaktor beim Schweizer Fernsehen. Zuvor berichtete er jahrelang für Medien aus dieser Region. Reto Hanimann kennt die Politik, Wirtschaft und die gesellschaftlichen Themen der Ostschweiz.

Schweiz aktuell, 02.12.2020, 19 Uhr

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