«Alle Spitäler der Schweiz hätten den Auftrag des Bundesrates, die Kapazitäten zu erhöhen. Das ist einfach nicht möglich – wir finden einfach kein Personal», sagt Marco Rossi, Chefarzt Infektiologie des Kantonsspitals Luzern. Man müsse gar aufpassen, «dass uns nicht Personal wegbricht, dass Leute den Job aufgeben und dass wir am Schluss noch eine kleinere Kapazität haben.»
Die Intensivstationen füllen sich wieder – zurzeit liegen in der Schweiz 229 Covid-Patienten auf der Intensivstation. Damit sind die effektiv verfügbaren Betten zu 27 Prozent belegt. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften warnt denn auch wieder davor, dass die Pandemie zu einer kritischen Auslastung der Intensivstationen führe und nicht-dringliche Eingriffe verschoben werden müssen. Die Situation werde auch daher verschärft, dass nicht alle zertifizierten Betten betrieben werden können – wegen Personalmangel.
Kaum Ausbau des Personalbestandes
Seit Ausbruch der Pandemie, also seit 21 Monaten, steht der Ausschöpfung oder einem Ausbau der Kapazitäten die Personalknappheit im Wege. Hat hier die öffentliche Hand versagt?
Nein, sagt beispielsweise der Kanton Aargau. Qualifiziertes Personal könne nicht innerhalb von kurzer Zeit aufgestockt oder neu ausgebildet werden, sagt das Aargauer Departement für Gesundheit und Soziales. Bereits seit zehn Jahren wirke der Kanton dem Pflegemangel in diesem Bereich aktiv entgegen.
Nein, sagt auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK). Sie schreibt, dass kontinuierlich qualifiziertes Personal ausgebildet werde – etwas mehr als 250 pro Jahr. Doch die Ausbildung zur Intensivpflege-Fachkraft dauere zwei Jahre. Und gerade während der Pandemie habe es wenig Spielraum für zusätzliche Ausbildungsaktivitäten gegeben, sagt die GDK. «Man bildet auch keine Feuerwehrleute aus, wenn ein brennendes Haus zu löschen ist.»
Und der Kanton Aargau ergänzt: «Inzwischen ist das Fachpersonal schon sehr lange stark beansprucht und kann nicht mehr zu Sondereinsätzen aufgeboten werden.» Die anhaltende Belastung führe zu Abnützungserscheinungen und Absenzen. Die Spitäler hätten die Rekrutierungen im In- und Ausland verstärkt sowie die Aus- und Weiterbildung investiert. Doch die Massnahmen vermochten nur die Abgänge auszugleichen, «aber keine Reserven anzulegen».
Neurekrutierungen ersetzen nur Abgänge
Auch das Universitätsspital Basel konnte lediglich die Abgänge mit Neurekrutierungen kompensieren, sagt Hans Pargger, Chefarzt der Intensivstation. Man habe zudem die Löhne erhöht und seit Jahren würden Rekrutierungsmassnahmen laufen: «Wir haben alle Register gezogen.» Zudem hat das Spital in den letzten Tagen Hilfspersonal rekrutiert, das mithelfen könne. Doch hoch qualifiziertes Personal könne man nicht einfach kurzfristig im Supermarkt einkaufen – «das haben wir auch schon x-mal diskutiert».
Doch was, wenn das Coronavirus die Intensivstationen auch die nächsten Jahre beschäftigen wird – wäre ein langfristiges Aufstocken der Intensiv-Kapazitäten in der Schweiz keine angezeigte Sicherheitsstrategie?
Man wolle und könne die Kapazitäten nicht auf Maximalbelastung ausrichten, sagt Pargger. Das sei kurzfristig gedacht. «Wenn es plötzlich 500 Patienten mehr in der Schweiz sind, dann kann man schon sagen, wir wollen für das nächste Jahr 500 zusätzliche Plätze haben und IPS-Personal und -Ärzte anstellen. Die Frage ist einfach, was machen wir dann mit ihnen», wenn weniger Arbeit anfalle. Das sei keine korrekte Investition.