Eigentlich sollte der Winter dem Boden Erholung bringen. Gerade nach einem Hitzesommer wie 2022. Regen, der die Gewässer füllt und die Böden befeuchtet. Eine dicke Schneedecke, welche die Gletscher wachsen lässt und eine ergiebige Wasserreserve für den kommenden Sommer bildet. Doch diesen Winter sieht es anders aus.
Seit Wochen fällt in der Schweiz nicht nur zu wenig Schnee, auch der benötigte Regen bleibt aus. Alleine im vergangenen Februar fiel an den meisten Messstationen in der Schweiz nur ein Bruchteil des normalen Niederschlags. Verglichen wird mit dem durchschnittlichen Niederschlag der Referenzperiode 1961 bis 1990. Besonders gravierend ist die Situation im Süden des Landes.
Das bestätigt auch Massimiliano Zappa, Gruppenleiter Hydrologie bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL): «Wir verzeichnen derzeit in der ganzen Schweiz ein hohes Niederschlagsdefizit.» Die aktuelle Situation zwingt Behörden bereits jetzt zum Handeln. In Teilen Graubündens herrscht erhebliche Waldbrandgefahr, in den Südtälern ist es strikt verboten, im Freien ein Feuer zu entfachen.
Die Trockenheit zeigt sich auch in den Böden, ein weiterer wichtiger Wasserspeicher. Zappa und sein Team berechnen mit hydrologischen Modellen, wie viel Feuchtigkeit derzeit in der Erde gespeichert ist – oder fehlt. Die Daten, welche SRF ausgewertet hat, zeigen: Etwa die Hälfte der Tessiner Böden leiden derzeit unter Trockenheit, ebenso elf Prozent in Graubünden und acht Prozent im Wallis.
Die folgende Karte zeigt die aktuelle Situation in der ganzen Schweiz im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010.
Mit dem Klimawandel werden besonders heisse und niederschlagsarme Sommer zunehmend häufiger. Die Hitze lässt mehr Wasser verdunsten, gleichzeitig steigt der Bedarf an Wasser für Kühlung und Bewässerung und damit der Druck auf die Wasserreserven. Kann das fehlende Wasser im Winter nicht ausgeglichen werden, wie es im Moment der Fall ist, verschärft das die Situation zusätzlich.
Aber wie ernst die Lage ist, lasse sich bisweilen nur schwer vermitteln, sagt Massimiliano Zappa. «Die Leute sind mit dem Begriff Wasserschloss aufgewachsen – sie kennen Wasser als unendliche Ressource». Es sei psychologisch schwierig, die Bevölkerung vor «gutem» Wetter zu warnen.
Unsere Modelle prognostizieren für die nächsten vier Wochen keine Verbesserung.
Um das aktuelle Defizit auszugleichen, müsste es etwa einen Monat lang moderat regnen, so Zappa. Aber: «Unsere Modelle prognostizieren für die nächsten vier Wochen keine Verbesserung.»
Als mögliche Gegenmassnahme nennt der Hydrologe eine frühzeitige Einschränkung der Wasserentnahme in trockenen Gebieten. Mittel- bis langfristig könnten verschiedene Massnahmen wie die Erschliessung von neuen Quellen, trockenheitsresistente Anbausorten in der Landwirtschaft oder renaturierte Wasserläufe, die Niederschläge besser speichern können, etwas nützen. Zurzeit baut das Bundesamt für Umwelt zudem ein Früherkennungs- und Warnsystem zur Trockenheit auf.