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Fehlende Unterkünfte «Asylchaos» bleibt aus

Zu wenig Betten für Asylsuchende – dieser Warnruf war vor Monaten zu hören. Nun zeigt sich: Es kommt wohl gerade noch gut.

Vor einigen Monaten riefen die ersten Kantone den Asylnotstand aus. Man sorgte sich um mangelnde Unterkünfte für Asylsuchende. Doch die schlimmsten Befürchtungen hätten sich nicht bewahrheitet, sagt Reto Kormann vom Staatssekretariat für Migration SEM.

«In der Schweiz hat niemand auf der Strasse nächtigen müssen, der von uns Schutz gefordert hat.» Doch es sei herausfordernd gewesen, für das Personal und auch die Kantone, sagt Kormann: «Die Kantone setzen nach wie vor alles daran, um diese Menschen adäquat unterbringen und betreuen zu können.»

Minderjährige Asylsuchende sitzen an einem Tisch und lernen mit einer Lehrerin.
Legende: Die Schweiz ist mit der hohen Zahl an Asylsuchenden gefordert, aber noch nicht überfordert. Keystone/Urs Flüeler

Vor allem auf Stufe Bund – in den Bundesasylzentren – sei man an Grenzen gestossen, sagt Kormann. Es habe hier die Unterstützung der Kantone gebraucht, welche dem Bund Hunderte von Plätzen in Zivilschutzanlagen zur Verfügung stellten. «Wir sind sehr dankbar für diese Hilfe, die uns gewährt wurde und gewährt wird. Alleine hätten wir das niemals stemmen können.»

Situation in den Kantonen bleibt angespannt

Der Blick in die Kantone zeigt, dass die Lage weiter schwierig ist. Der Kanton Aargau beispielsweise hatte schon zu Beginn des Jahres den Asylnotstand ausgerufen.

Michel Hassler vom Departement für Gesundheit und Soziales im Kanton Aargau sagt, vor allem die Situation mit den Unterkünften sei angespannt: «Da sind wir fast voll ausgelastet. Wir haben zurzeit drei unterirdische Notunterkünfte in Betrieb. Und wir müssen im Dezember eine vierte eröffnen.»

Ähnlich tönt es auch aus vielen anderen Kantonen. Die meisten Asylbetten seien belegt, zahlreiche Kantone mussten deswegen zusätzlich Containersiedlungen bauen oder Zivilschutzanlagen öffnen.

Viele unbegleitete Minderjährige

Eine spezielle Herausforderung sei dieses Jahr die Unterbringung von sogenannten UMA gewesen, von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, sagt Reto Kormann vom SEM. Fast jeder achte Asylantragsteller sei ein UMA gewesen.

Wir hatten zwischenzeitlich Probleme, die UMA so zu betreuen, wie es gemäss Gesetz vorgesehen ist.
Autor: Reto Kormann Stv. Chef Information und Kommunikation, SEM

«Sie sind bei uns in einem speziellen Setting untergebracht. Im Moment kommen überproportional viele im Vergleich zu anderen Jahren. Daher hatten wir zwischenzeitlich Probleme, sie so zu betreuen, wie es gemäss Gesetz vorgesehen ist. Wir haben einen Betreuungsschlüssel von einer Sozialpädagogin auf 15 UMA. Den konnten wir zeitweilig nicht gewährleisten», sagt Kormann.

Bund soll sich besser vorbereiten

In den nächsten Wochen dürfte sich die Situation nun etwas entspannen. Erfahrungsgemäss flüchten in den Wintermonaten weniger Menschen nach Europa. Zurücklehnen dürfe man sich deswegen aber nicht, sagt Marianne Lienhard, Vizepräsidentin der Konferenz der Schweizer Sozialdirektorinnen und -direktoren.

Es sei nämlich zu erwarten, dass auch in den nächsten Jahren viele Menschen in der Schweiz Asyl suchten. Und gerade der Bund müsse sich besser auf solche Szenarien vorbereiten, fordert Lienhard. «Wir haben beim Bund interveniert, dass auf den nächsten Sommer hin eine verlässlichere Notfallplanung erstellt werden muss. Das heisst, dass Plätze für Notfälle reserviert bleiben.»

Leerstehende Betten in einer Asylunterkunft.
Legende: Rund 28'000 bis 30'000 Menschen werden bis Ende Jahr in der Schweiz 2023 einen Asylantrag eingereicht haben, schätzt das SEM – eine im langjährigen Vergleich hohe Zahl. Keystone/Peter Klaunzer

Mit Blick auf die Zukunft verlangen die Kantone, dass der Bund mehr Reservebetten bereithält. Er soll für künftige Krisen und generell höhere Flüchtlingszahlen gewappnet sein.

Gleichzeitig ist aber auch klar, dass solche Unterkünfte teuer sind. Und dass der Bund daher nicht unbeschränkt Kapazitäten bereithalten kann, die am Ende vielleicht gar nicht benötigt werden. Ein Dilemma, mit dem die Schweiz umgehen muss.

Rendez-vous, 27.11.2023, 12:30 Uhr

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