- Die Vernehmung von Joseph Blatter im Prozess wegen des Vorwurfs des Betrugs und weiterer Delikte gegen ihn und Michel Platini ist verschoben worden.
- Am ersten Tag stand die Strategie der Platini-Anwälte, die wie schon vor dem Verfahrensbeginn das Bild eines Komplotts gegen den ehemaligen UEFA-Boss zeichneten, im Mittelpunkt.
- Beim Verfahren geht es um eine verdächtige Zwei-Millionen-Zahlung.
«Hohes Gericht, es geht mir nicht gut. Ich habe eine Beschwerde, die wieder zurückkommt, dann kann ich auch nicht richtig atmen. Ich sehe mich nicht in der Lage, zu antworten», sagte Blatter. Nach Angaben von seinem Rechtsanwalt habe sein Mandant Brustschmerzen und Atemschwierigkeiten. Die Vernehmung soll am Donnerstag stattfinden.
Platini-Anwalt wittert Komplott
Laut Platini-Anwalt Dominic Nellen gebe es «einen direkten Zusammenhang» zwischen dem Betrugsverdacht gegen seinen Mandanten und den geheimen Treffen zwischen dem aktuellen FIFA-Präsidenten Gianni Infantino mit dem früheren Schweizer Bundesanwalt Lauber. Deshalb gehe es um die Frage, wer ein Interesse an diesem Verfahren gehabt habe.
Staatsanwalt Thomas Hildbrand und FIFA-Anwältin Catherine Hohl-Chirazi wiesen diese Mutmassungen zurück. Hohl-Chirazi warf der Platini-Seite vor, eine «Verschwörungstheorie» aufzustellen. Der Weltverband tritt als Nebenkläger auf.
BA: Keine rechtliche Grundlage
Die Millionen-Zahlung für angebliche Beraterdienste Platinis für die Fifa zwischen Juli 1998 und Juni 2002 war vom heute 86-jährigen Blatter gutgeheissen worden – mehr als acht Jahre nach Beendigung der Beratertätigkeit. Für die Bundesanwaltschaft (BA) gibt es keine rechtliche Grundlage für diese Zahlung.
Wie der Anklageschrift zu entnehmen ist, hatte Platini ab 1999 auf der Grundlage eines Vertrages für seine vierjährige Beratertätigkeit bereits eine Entschädigung von 300'000 Franken pro Jahr erhalten. Die Zahlung erfolgte nach Rechnungsstellung ohne einen Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen.
«Aufgeschobene Restzahlung»
Die BA ist überzeugt, dass die beiden Funktionäre «zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt übereinkamen, dass dem heute 66-jährige Platini aus dem Vereinsvermögen der Fifa ein substanzieller, nicht geschuldeter Betrag zukommen sollte». Die Beschuldigten selbst sprachen von einer aufgeschobenen Restzahlung.
Blatter hat laut BA mit Arglist gehandelt. Der ihm unterstellte Finanzdirektor habe nicht von einer Täuschung ausgehen können, als er die Zahlungsanweisung ausgeführt habe. Die BA sieht den Tatbestand des Betrugs erfüllt und wird im Rahmen der Hauptverhandlung die Strafanträge stellen.
Die Beschuldigten haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen. In einer kurzen schriftlichen Stellungnahme erklärt Joseph Blatter: «Ich blicke der Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona mit Optimismus entgegen.»
Befragung von sechs Zeugen
Insgesamt werden sechs Zeugen befragt, darunter am zweiten Verhandlungstag Olivier Thormann, der damals die Leitung für Wirtschaftskriminalität bei der BA innehatte. Inzwischen ist er selbst als Richter am Bundesstrafgericht tätig – als Präsident der Berufungskammer.
Vom 8. Juni bis 22. Juni sind für die Hauptverhandlung vor der Strafkammer elf Verhandlungstage angesetzt. Es wird jeweils nur am Vormittag debattiert – bis spätestens 13.30 Uhr. Der Gesundheitszustand von Joseph Blatter lässt maximal vier Stunden pro Tag zu. Die Fifa tritt im Verfahren als Privatkläger auf. Die Urteilseröffnung ist auf den 8. Juli festgelegt.