Fabian Biasio schwingt sich aufs Velo, hinter ihm ein Anhänger voller Bier. Das Gespann wird er quer durch die Stadt Luzern manövrieren – vom Tribschenquartier bis zum Kino Bourbaki. Eine gefährliche Strecke, wenn man auf zwei Rädern unterwegs sei. «Meinen Kindern verbiete ich, auf dem Velo durch die Stadt zu fahren.»
Mit dem Bier ins Kino Bourbaki muss er, weil er da am Abend die Premiere seines Films «Automania» feiert. Biasio thematisiert darin das eigene ambivalente Verhältnis zum Auto. «Als Velofahrer bin ich ein totaler Autohasser. Gleichzeitig liebe ich es, selbst hinter dem Steuer zu sitzen.»
Hackordnung im Strassenverkehr
Es gehe im Film allgemein darum, den Platz des Autos in der Schweizer Gesellschaft zu hinterfragen. Dieses bekomme überproportional viel Raum. «Die Städte sind fürs Auto gebaut, Verkehrsplanerträume des letzten Jahrhunderts.» Das Velo müsse sich unterordnen, obwohl in der Stadt Luzern beispielsweise nur noch knapp die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner ein Auto besitze.
Neutral ist Biasios Film nicht – er schiesst bewusst gegen den Status quo der hiesigen Verkehrspolitik. «Ich möchte die Selbstverständlichkeit hinterfragen, mit der wir dem Auto so viel Platz einräumen.» Um dies zu veranschaulichen, schnallt er sich im Film einen Holzrahmen in der Grösse eines Autos um und schreitet damit die Pilatusstrasse ab – eine Hauptachse in Luzern. «Es ist ein unglaublich gutes Gefühl, als Fussgänger so viel Platz einnehmen zu können.»
Die Aktion ist von kurzer Dauer, beim Bahnhof nimmt ihn die Polizei von der Strasse. «Die waren freundlich.» Eine Busse und eine Strafanzeige habe es dennoch gegeben. Während des kurzen Gangs mit dem Holzrahmen zieht Biasio nicht nur die Aufmerksamkeit der Polizei, sondern auch die Wut einiger Autofahrer auf sich.
Aggressionen gegen Velofahrer
Das sei ein weiterer Aspekt, der die Dominanz der Autos in den Schweizer Städten so schwierig mache. «Wenn man im Auto sitzt und nicht so schnell vorwärtskommt wie erwartet, scheint das Aggressionspotential unermesslich. Da brennen irgendwelche Urinstinkte in uns durch.»
Die Wut bekämen dann oft Velofahrerinnen und Velofahrer ab. «Hinter der verspiegelten Windschutzscheibe ist man anonym und kann sich verhalten, wie man will.» Das könne für die Velofahrenden gefährlich werden, da sie eindeutig die Schwächeren seien im Stadtverkehr.
Regelbruch im Dienste der Sicherheit
Biasio hat um seiner Sicherheit willen deshalb begonnen, einzelne Verkehrsregeln zu brechen. «An einigen Ampeln fahre ich los, bevor sie auf Grün wechseln.» So müsse er sich keine Sorgen machen, zwischen einem Lastwagen und einem Bus zerquetscht zu werden. «Meine erste und oberste Verkehrsregel: Am Leben bleiben.»
Wenn jeder ein Auto nehmen würde, der sonst Velo fährt, wäre die Infrastruktur komplett am Anschlag.
Die Regelbrüche und die Aggressionen liessen sich verhindern, wenn die Städte ihren Verkehr anders planen würden. «In Kopenhagen zum Beispiel werden Autostrassen und Velostreifen parallel geführt», sagt Biasio. Drei Meter Platz liesse man den Velos. «Ich sah da eine Familie, die mit ihrem Kleinkind quer durch die Stadt gefahren ist. Das wäre undenkbar in Luzern.»
Fabian Biasio ist mit seinem Gespann beim Kino Bourbaki angekommen. Schwer atmend steigt er vom Velo. «Die fünf Kisten Bier wiegen einiges.» Mit dem Auto wäre der Transport entspannter gewesen, das sei er sich bewusst. Trotzdem: «Wenn jeder ein Auto nehmen würde, der sonst Velo fährt, wäre die Infrastruktur komplett am Anschlag.»