Ahmad ist Dozent und Fachmann für Naturgefahren an einer staatlichen Universität Afghanistans. Er wartet mit seiner Frau und seinem einmonatigen Baby auf die Ausreise.
Die Taliban hätten sein Institut geschlossen – unter dem Vorwand, es fehle das Geld für Forschung, sagt er per Skype. «Wir sind quasi arbeitslos.» Trotzdem muss Ahmad täglich antraben und eine Präsenzliste signieren.
Wissenschaftler verlassen das Land
Seitdem die Taliban im August in Afghanistan die Macht übernommen haben, lebt Ahmad in Angst. Zuvor hatte er mit internationalen Organisationen zusammengearbeitet. Darum sind er und seine Familie jetzt in Gefahr.
Zweimal schon hätten sie sicherheitshalber den Wohnort gewechselt. Viele Forschende wollten nur weg, sagt Ahmad. Aber aus Angst rede niemand darüber. «Doch plötzlich merkt man, dass ein Freund das Land verlassen hat.»
Suche nach Möglichkeiten im Ausland
Im September wandte sich Ahmad an die Organisation «Scholars at Risk» (SAR) in New York. SAR hilft gefährdeten Akademikerinnen und Akademikern.
Im New Yorker Büro wird zuerst geprüft, ob die Hilfe suchende Person diesem Profil entspricht, wie Roger Pfister von den Akademien der Wissenschaften und SAR-Koordinator in der Schweiz erläutert. «Es wird auch angeschaut, ob die Person eine Perspektive auf Weiterführung ihrer Karriere im wissenschaftlichen Betrieb hat.»
Es muss ein Arbeitgeber gefunden werden
Oft kommen bedrohte Akademiker aus einem Land, dessen wissenschaftliche Institutionen hiesige Qualitätsansprüche nicht restlos erfüllen.
Dies wird bei der Beurteilung berücksichtigt – und Hilfesuchende werden nicht mit gleichen Ellen gemessen wie Bewerber für eine reguläre Stelle an einer Schweizer Universität. Trotzdem muss eine Institution gefunden werden, die die gefährdete Person beschäftigen kann.
Ahmad wurde inzwischen eine Stelle an der Universität Genf zugesichert. Er kann dort eine Doktorarbeit machen, die vier Jahre dauert. Die Suche nach Geld war aufwändig, doch seit Kurzem ist klar, dass sich neben dem Nationalfonds eine private Stiftung sowie die Uni Genf an den Kosten beteiligt.
Einreisevisum als weitere Hürde
Noch aber fehlt das Schweizer Einreisevisum. Weil es keine nationale Regelung für Forschende in Gefahr gebe, sei das eine nicht zu unterschätzende Hürde, so Pfister. Dafür zuständig seien die kantonalen Behörden. «Das kann sich ohne Weiteres ein halbes Jahr hinziehen.» Es komme in Einzelfällen auch vor, dass die Behörden ein Visum verweigerten.
Die Erteilung eines Einreisevisums kann sich ohne Weiteres ein halbes Jahr hinziehen.
Ahmad wartet mit seiner jungen Familie in Afghanistan auf das gute Ende dieser nervenaufreibenden Geschichte. Ist das Visum da, muss sich die Familie erst auf dem Landweg nach Pakistan durchschlagen.
Dabei möchte Ahmad sein Heimatland eigentlich gar nicht verlassen. Doch die fehlende akademische Freiheit lasse ihm keine Wahl. Deshalb müsse er nun einen anderen Weg finden, um mit seiner Arbeit dem afghanischen Volk zu helfen.