Laut den neusten Zahlen des Staatssekretariats für Migration SEM stieg das Niveau der Asylgesuche letztes Jahr wieder auf das Niveau von vor der Pandemie. Die meisten Flüchtlinge kommen derzeit aus Afghanistan. Der Asylanwalt Roman Schuler weiss, wieso diese Menschen bei uns Schutz suchen.
SRF News: Welche Chance haben Asylsuchende aus Afghanistan, dass sie in der Schweiz bleiben können?
Roman Schuler: Ihre Chancen stehen gut. Die meisten von ihnen werden aber nicht als Flüchtlinge anerkannt. Sie werden vorläufig aufgenommen, wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs.
Wie hat die Entwicklung der Lage in Afghanistan die Aufnahmepraxis der Schweiz verändert?
Seit der Machtübernahme der Taliban ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass eine Person aus Afghanistan in der Schweiz als Flüchtling anerkannt oder vorläufig aufgenommen wird.
Wer in Afghanistan Dolmetscher für die Amerikaner war, wird in der Schweiz als Flüchtling anerkannt.
Wenn beispielsweise eine Person in Afghanistan als Dolmetscher für die Amerikaner tätig war, wird sie hier als Flüchtling anerkannt, sofern innerhalb Afghanistans keine Schutzmöglichkeit bestand – und seit der Machtübernahme der Taliban in ganz Afghanistan besteht keine solche mehr.
Werden jetzt alle Menschen aus Afghanistan von der Schweiz zumindest vorläufig aufgenommen?
Wegen der seit langem angespannten Sicherheitslage konnten schon vorher die meisten Afghanen zumindest vorläufig hier blieben. Ein junger Afghane aus Kabul aber, der dort ein familiäres Beziehungsnetz hatte, wurde vor August 2021 nicht vorläufig aufgenommen und musste nach Afghanistan zurückkehren.
Müssen die vorläufig Aufgenommenen damit rechnen, dereinst nach Afghanistan zurückkehren zu müssen?
Wenn sich die Lage in Afghanistan dauerhaft verbessert, müssen sie grundsätzlich tatsächlich damit rechnen, in ihre Heimat zurückkehren zu müssen. Das ist in Afghanistan in nächster Zeit allerdings kaum zu erwarten.
Was erzählen Ihnen die Asylsuchenden aus Afghanistan über die Gründe ihrer Flucht?
Die sind sehr vielfältig: Das geht von jungen Männern, die ins Visier der Taliban geraten sind, weil sie westliche Musik gespielt haben, über Frauen, die wegen ihrem Geschlecht verfolgt wurden bis hin zu jenen Personen, die für die ausländischen Truppen oder die Regierung gearbeitet hatten. Vor allem letztere sind in Afghanistan jetzt stark gefährdet.
In der Schweiz gibt es bereits eine Community von Afghanen. Deshalb kommen viele hierher.
Die meisten Afghaninnen und Afghanen kommen über den Landweg in die Schweiz. Wieso stellen sie nicht schon in einem anderen Land ein Asylgesuch?
Viele von ihnen haben die Schweiz als Ziel und haben deshalb in keinem der Transitländer – etwa in Österreich – ein Asylgesuch gestellt.
Was macht die Schweiz für sie so attraktiv?
Ich weiss nicht, ob die Schweiz für Menschen aus Afghanistan wirklich so attraktiv ist. Sicher ist aber, dass es hier bereits eine Community aus Afghaninnen und Afghanen gibt, was dazu führt, dass Personen in die Schweiz kommen, weil sie hier bereits Verwandte haben.
Das Gespräch führte Adam Fehr.