«Der Frust» ist weiblich: Nach dem Abstimmungs-Ja zum Frauenrentenalter 65 gehen Ende September linke Frauen auf die Strasse. «Das ist eine Kampfansage an die bürgerlichen Frauen», sagt SP-Nationalrätin Tamara Funicello bei dieser Gelegenheit. Feministin Funicello verwünscht bürgerliche Frauen, weil sie für das höhere Frauenrentenalter waren.
Wir haben uns so viel erhofft von diesem rosa Parlament.
«Wir haben uns so viel erhofft von diesem rosa Parlament», ruft sie der Menge zu. Doch «erreicht» habe man seit 2019 bloss die Rentenalter-Erhöhung, einen Besuchstag bei der Armee für die Frauen und «mickrige zwei Wochen Vaterschaftsurlaub».
Unterschiedliche Haltungen
Die Attacke Funicellos hat Gräben aufgerissen. «Das hat mich irritiert und auch etwas verletzt», sagt Susanne Vincenz-Stauffacher, Nationalrätin und Präsidentin der FDP-Frauen – und Feministin.
Es nerve sie, dass die Linke in Anspruch nehme, zu wissen, wie Feminismus gelebt werden solle. «Es gibt nicht ‹die› Frauen! Wir haben unterschiedliche Haltungen und Meinungen – und bringen diese auch ein.»
Konkrete Forderungen werden jetzt potenziell mehrheitsfähig.
Trotz dieses Konflikts unter den Frauen arbeiten linke und bürgerliche Frauen seit 2019 enger zusammen. Eine Drahtzieherin ist Kathrin Bertschy. «Konkrete Forderungen werden jetzt potenziell mehrheitsfähig», sagt die grünliberale Nationalrätin und Co-Präsidentin des Frauen-Dachverbands Alliance F. Das sei Ausdruck der guten überparteilichen Arbeit.
Bessere Hilfe für Opfer sexueller Gewalt, Geld für Kindertagesstätten sowie eine grosse Steuerreform, damit Mütter nicht finanziell bestraft werden, wenn sie arbeiten gehen: Hier seien neue Mehrheiten entstanden oder am Entstehen, sagt Vinzenz-Stauffacher von der FDP.
Partei prägt das Verhalten stärker
Doch: Entscheidet ein Parlament wirklich anders, wenn mehr Frauen darin sitzen? Da setzt Isabelle Stadelmann ein Fragezeichen. Die Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Bern sagt, ein solcher «Fraueneffekt» sei statistisch sehr schwierig zu beweisen.
Eine gute Demokratie sollte dafür sorgen, dass die gesellschaftlichen Gruppen ihrer Grösse entsprechend im Parlament vertreten sind.
Denn die Partei präge das Abstimmungsverhalten im Parlament viel stärker als das Geschlecht. Zudem änderten sich in gesellschaftlichen Fragen – wie etwa in Fragen von Modernisierungen oder Wertewandel – Mehrheiten unabhängig vom Frauenanteil, so Stadelmann.
Es gibt auch rechte Frauenpolitik
Zurück zu den Politikerinnen: Gegen die Agenda liberaler und linker Frauen treten auch Frauen an – rechte Frauen. Zu ihnen gehört etwa SVP-Nationalrätin Monika Rüegger. «Sie wollen vor allem ‹Staatskinder› und die Frauen zu Hundertprozent-Arbeitskräften machen.» Das sei nicht ihre Politik, so Rüegger.
Auch die SVP-Frau ist mit Mitstreiterinnen für ein traditionelles Familienbild vernetzt: «In der Mitte-Partei gibt es Frauen, welche die Familie stärken möchten, teils auch in der FDP», sagt sie. Allerdings seien solche Frauen nicht mehr so zahlreich wie früher.
In der Mitte-Partei und teils in der FDP gibt es noch Frauen, welche die Familie stärken möchten.
Es wird klar: ‹Die› Frauenpolitik gibt es nicht. Politologin Stadelmann sagt, vielleicht bringe es gar nicht viel, über einen Fraueneffekt nach den Wahlen von 2019 zu debattieren. «Es reicht zu sagen, dass eine gute Demokratie dafür sorgen soll, dass die gesellschaftlichen Gruppen ihrer Grösse entsprechend im Parlament vertreten sind.» Allein deshalb sollte der Frauenanteil in den Parlamenten künftig weiter steigen.
Übrigens: Auch Monika Rüegger von der SVP wünscht sich in ihren Reihen mehr Frauen – wenigstens ein gemeinsamer Nenner.