Seit den letzten Eidgenössischen Wahlen 2019 politisieren so viele Frauen wie noch nie unter der Bundeshauskuppel. Im Nationalrat liegt der Frauenanteil bei 42 Prozent und im Ständerat bei 26 Prozent.
Doch hat sich der grössere Frauenanteil auch auf die politischen Entscheide ausgewirkt? Ja, sagt Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin von alliance F und Projektträgerin von «Helvetia ruft»: «Ich finde, das Parlament und die Frauen-Allianz sind überparteilich relativ erfolgreich unterwegs.»
Ich finde, das Parlament und die Frauen-Allianz sind überparteilich relativ erfolgreich unterwegs.
Als Erfolg wertet die GLP-Nationalrätin etwa, dass diese Frauen-Allianz drei konkrete Anliegen in die Legislatur-Ziele eingebracht haben. Sie nennt die Individual-Besteuerung, die Kinderbetreuung und die Umsetzung der Konvention gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, die sogenannte Istanbul-Konvention.
Klar, dass die Projektverantwortliche Erfolge sieht, mögen kritische Stimmen einwenden. Aber auch Polit-Wissenschafterin Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern registriert die überparteilichen Erfolge der National- und Ständerätinnen: «Das ist schon eher neu. Früher haben doch parteipolitische Gräben die Taktiken mehr bestimmt als das Geschlecht. Frauen haben mit der Wahl 2019 und auch schon vorher zu einem neuen Selbstverständnis gefunden und vertreten emanzipiert ihre Meinung.»
Frauen haben mit der Wahl 2019 und auch schon vorher zu neuem Selbstverständnis gefunden und vertreten emanzipiert ihre Meinung.
Die Wissenschaft zeigt auch: Frauen entscheiden nicht grundsätzlich anders als Männer. Ausgenommen sind Themen, die Frauen wichtig sind. Dazu gehören auch die Umwelt-Anliegen.
Kantone noch stark im Rückstand
Laut Bertschy ist «Helvetia ruft» aber mit dem Knacken der 40-Prozent-Hürde im Nationalrat noch nicht zufrieden: «Es ist noch ein weiter Weg, bis wir zu gleichen Teilen politische Entscheidungen treffen. Das ist der Ruf von Helvetia, die eine gute Demokratie will und sagt: Eine Demokratie ist nur so gut, wie sie ihre Bevölkerung repräsentiert. Da gibt es grossen Handlungsbedarf, insbesondere auf kantonaler und lokaler Ebene.»
Es ist noch ein weiter Weg, bis wir zu gleichen Teilen politische Entscheidungen treffen.
Ein Blick auf die Kantone zeigt: In sieben Kantonen regieren reine Männer-Gremien: Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden, Luzern, Uri, Wallis und Tessin. Die 50-Prozent-Marke knacken die Regierungsrätinnen in den vier Kantonen Solothurn, Thurgau, Waadt und Zürich.
In den Kantons-Parlamenten beträgt der Frauenanteil über alles knapp ein Drittel. Nur im Kanton Neuenburg berät eine Frauen-Mehrheit die politischen Geschäfte.
Helvetia ist auf Tournee
«Helvetia ruft» will deshalb in den Kantonen und Gemeinden Basisarbeit leisten. Helvetia ist gewissermassen auf Tournee. Letztlich für ein besseres Ergebnis bei den Wahlen, wie Bertschy betont: «Das bedeutet aber, dass zahlreiche Frauen auf den Listen und auf guten Listenplätzen kandidieren sollen und hoffentlich gewählt werden. Damit sich auch in den Kantonen wirklich etwas verbessert und der Nachwuchs bereitsteht.».
An den Eidgenössischen Wahlen 2023 sollte sich so der Frauenanteil im Nationalrat halten und im Ständerat etwas erhöhen können, hofft die grünliberale Politikerin.
Echo-Effekt in den Kantonen
Das sei realistisch, sagt Politologin Mousson mit Blick auf die Kantone. Nationale Wahlergebnisse spiegelten sich durch sogenannte Echo-Effekte in den kantonalen Wahlen wider: «Letztmals waren es die Klimawahl, Frauenwahl und der Linksrutsch mit entsprechenden Folgen. Genau das ist bisher in den meisten Kantonen eingetreten.»
Es stehen noch diverse kantonale Wahlen bevor. Sie werden zeigen, ob der Ruf Helvetias ein Echo ins Bundeshaus zurückwirft.