- Das Waadtländer Kantonsgericht hat den Freispruch für zwölf Klima-Aktivisten in zweiter Instanz kassiert.
- Die Aktivisten im Alter zwischen 21 und 34 Jahren hatten im November 2018 während eineinhalb Stunden eine Bankfiliale in Lausanne besetzt.
- Das Kantonsgericht hat sie nun wegen Hausfriedensbruchs zu bedingten Geldstrafen und zu Bussen zwischen 100 und 150 Franken verurteilt.
- Anfang Jahr hatte das Bezirksgericht in Renens (VD) die Klimaaktivisten noch überraschend frei gesprochen.
Das erstinstanzliche Urteil fand grosse Beachtung. Es sprach die Klima-Aktivisten vom Vorwurf der Hausbesetzung wegen «rechtfertigenden Notstands» frei. Der Einzelrichter sprach von einer «notwendigen und angemessenen» Aktion angesichts des Klimanotstands. Es war das erste Urteil in der Schweiz, das einen Notstand in Bezug auf die Klimaerwärmung anerkannte.
Nun hat das Waadtländer Kantonsgericht dieses erstinstanzliche Urteil umgestossen. Weil die zwölf Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten in einer Filiale der Credit Suisse Tennis gespielt hatten, werden sie zu bedingten Geldstrafen sowie zu Bussen zwischen 100 und 150 Franken verurteilt.
Tennis hilft nicht gegen Klimawandel
Im Gegensatz zur ersten Instanz entschied das Kantonsgericht, dass die zwölf Aktivistinnen und Aktivisten nicht aus Gründen eines «rechtfertigenden Notstandes» heraus gehandelt hatten.
Ihr Tennisspiel bei der Credit Suisse, mit dem die Investitionen der Bank in fossile Brennstoffe angeprangert werden sollten, habe es nicht ermöglicht, die Treibhausgasemissionen einzudämmen oder zu reduzieren, kommt das Gericht zum Schluss. In der Schweiz gebe es andere, insbesondere politische Mittel, um gegen die globale Erwärmung zu kämpfen.
Doch kein Notstand
Das Urteil des Kantonsgerichts ist ein Sieg für den Waadtländer Generalstaatsanwalt Eric Cottier. Er hatte den Fall am 14. Januar übernommen, einen Tag nach dem unerwarteten Freispruch der Aktivisten vor dem Bezirksgericht.
In seiner Anklage argumentierte Cottier am Dienstag, dass ein Gericht nicht für die Behandlung von Klimaproblemen zuständig sei, sondern für die Anwendung des Gesetzes. Der Staatsanwalt wies damit die Gründe des rechtfertigenden Notstandes zurück. Er begründete dies damit, dass die Aktivistinnen und Aktivisten nicht aus einer unmittelbar drohenden Gefahr heraus gehandelt hätten.
Die zwölf Anwälte der Aktivisten machten demgegenüber einen solchen rechtfertigenden Notstand geltend und beantragten, das Gesetz an den klimatischen Notstand anzupassen. Die Anwälte verteidigten den zivilen Ungehorsam ihrer Mandanten und bezeichneten es als legitim, Investitionen der Credit Suisse anzuprangern.
Ein Fall für Europa-Richter?
Die zwölf jungen Aktivisten, mehrheitlich Studentinnen und Studenten, hatten im November 2018 illegal Räumlichkeiten der Credit Suisse in Lausanne besetzt. Als Tennisspieler verkleidet, hatten sie die Grossbank angeprangert, sich in ihren Kampagnen des positiven Ansehens von Roger Federer zu bedienen und gleichzeitig eine umweltschädliche Investitionspolitik zu verfolgen.
Der Fall dürfte weiter zu reden geben. Die Verteidiger der Klima-Aktivisten hatten bereits gewarnt, dass sie im Falle einer Niederlage vor das Bundesgericht und möglicherweise vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen werden.