An Kindertagesstätten (Kitas) scheiden sich die Geister. Für die einen sind sie hilfreiche Einrichtungen – andere meinen, die Erziehung solle ausschliesslich Familienmitgliedern vorbehalten sein. Aber schaden Kitas der Entwicklung eines Kindes? Dieser Frage ist ein Team um Entwicklungspsychologe Moritz Daum von der Universität Zürich nachgegangen. Im Gespräch erklärt er die Ergebnisse.
SRF News: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Resultat der Studie?
Moritz Daum: Für mich es sehr schön und wichtig zu sehen, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Kind zu Hause oder in einer Kita betreut wird. Dieses Resultat überrascht mich nicht, die Qualität von Kitas in der Schweiz ist überwiegend sehr hoch. Ich habe auch selber Kinder, die in die Kita gegangen sind und bin sehr zufrieden mit der Qualität der Betreuung.
Für mich es sehr schön und wichtig zu sehen, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Kind zu Hause oder in einer Kita betreut wird.
Inwiefern entwickelt sich ein Kleinkind in den ersten zwei Jahren genau gleich gut, egal ob in der Kita oder zu Hause?
Sowohl die sprachlichen wie auch die motorischen und soziale Kompetenzen kann das Kleinkind in der Kita erlernen. Das heisst, beide Betreuungsformen führen zu einer guten Entwicklung der Kinder, wobei es eben nicht «fremde» Personen sind, sondern gut ausgebildete Kleinkinderzieherinnen und Kleinkinderzieher, die in Bezug auf die Entwicklung kleiner Kinder spezifisch geschult sind und zum Beispiel wissen, was benötigt wird, um eine gute Beziehung zu den Kindern aufbauen können – und davon profitiert das Kind.
Das heisst, die Betreuung in der Kita ist der Betreuung durch die Mutter oder den Vater ebenbürtig?
Darauf deuten die Daten unserer Studie hin. Denn das Kind entwickelt sich dann gut, wenn es Aufmerksamkeit erhält, wenn es genügend und vielfältige Lernmöglichkeiten hat, also auch mal den Tag draussen verbringen kann, wenn es interagiert und sich jemand um das Wohl des Kindes kümmert. Das alles trifft auf die Kitabetreuung zu. Das Kind ist in Kontakt mit anderen Kindern, die Betreuungspersonen schenken den Kindern grosse Aufmerksamkeit und in der Regel gehen die Kinder jeden Tag nach draussen.
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Aber es geht doch nichts über eine Mutter oder einen Vater, die sich in Vollzeit um das Kind kümmern?
Die Studie kann nicht auf jede einzelne Betreuungssituation angewandt werden. Es ist ja nicht so, dass jeder Vater oder jede Mutter das Kind genau gleich betreut. Wenn beispielsweise die Mutter unglücklich mit der Situation ist, weil sie eigentlich gerne Teilzeit arbeiten möchte, kann sich das auch auf die Beziehung zum Kind auswirken. Oder wenn das Kind zwar Vollzeit zu Hause betreut wird, jedoch den grössten Teil der Zeit vor dem TV verbringt, ist die Betreuungsqualität auch nicht optimal. Das heisst, nicht die Zeit an sich, die man mit dem Kind verbringt, ist entscheidend für eine gute Beziehung zu einer Bezugsperson, sondern die Qualität der Interaktion.
Nicht die Zeit an sich, die man mit dem Kind verbringt, ist entscheidend für eine gute Beziehung zu einer Bezugsperson, sondern die Qualität der Interaktion.
Wie konnten Sie denn die zwei Betreuungsmodelle vergleichen? Das ist doch sehr individuell und situationsabhängig.
Für unsere Studien schreiben wir immer wieder Eltern in Zürich und Umgebung an und fragen an, ob sie mit ihren Kindern an einer unserer Studien teilnehmen wollen. An der aktuellen Studie nahmen insgesamt 637 Kleinkinder im Alter zwischen 18 und 24 Monaten teil, die entweder in einer Kita oder vorwiegend zu Hause betreut wurden. Die sprachliche Fähigkeit testeten wir beispielsweise mit dem Wortschatz der Kinder und der Frage, ob sie bereits zwischen Einzahl und Mehrzahl unterscheiden können.
Das Gespräch führte Christof Schneider.