Gesundheitsminister Alain Berset hat am Donnerstag klargemacht, dass man derzeit beim Bund der Meinung ist, dass eine sogenannte Booster-Impfung für die breite Bevölkerung keinen Sinn macht. Das Argument des Bundes: Es sei wissenschaftlich nicht genügend erwiesen, dass eine dritte Impfdosis die Pandemie wirksam bekämpfe. Manuel Battegay, Chefarzt der Infektiologie am Universitätsspital in Basel, findet dagegen: Die Zeit drängt – Ältere und Risikopersonen brauchen einen «Booster».
SRF News: Warum plädieren Sie für eine zeitnahe dritte Impfung?
Manuel Battegay: Ein grosser Teil der Bevölkerung ist durch die Impfungen sehr gut geschützt – auch ohne Booster. Das ist essentiell. In den letzten Wochen ist aber ein Anstieg von vollständig Geimpften zu verzeichnen, die ins Spital eingeliefert werden müssen. Mittlerweile gibt es 140 Todesfälle von doppelt Geimpften zu beklagen. Es ist nun an der Zeit, der älteren Bevölkerung ab 65 Jahren und ausgewählten Bevölkerungsgruppen einen Booster zu verabreichen. Dies beinhaltet Personen zwischen 18 und 65 Jahren mit Risikofaktoren und das Medizinalpersonal.
Es ist nichts Spezielles, bei einer Impfung eine dritte Dosis zu verabreichen.
Sie plädieren also für eine risikobasierte Vorgehensweise und sind damit ungefähr auf einer Linie mit dem Vorgehen in den USA. Dort ist die dritte Impfung inzwischen auch zugelassen. Was unterscheidet Ihr Vorgehen von jenem des Bundes, das eigentlich auch risikobasiert ist?
Wir wissen ja noch gar nicht, wie die Richtlinien in der Schweiz ausgearbeitet werden. Die amerikanische Registrierungsbehörde ermöglicht den genannten Bevölkerungsgruppen die Impfung. Es ist sehr wichtig, dass die künftigen Richtlinien einfach gehalten werden, damit Hausärztinnen und Hausärzte und Mediziner in Spitälern diese in einfachen Worten erklären können. Das Wichtigste ist, dass es nichts Spezielles ist, bei einer Impfung eine dritte Dosis zu verabreichen. Das kennen wir auch bei vielen anderen Impfungen im Kindes- wie im Erwachsenenalter wie zum Beispiel beim Starrkrampf oder auch bei der Grippeimpfung, die wiederholt verabreicht wird.
Gesundheitsminister Alain Berset argumentiert, es sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass eine dritte Impfung wirklich etwas bringt. Was entgegnen Sie hier?
Die Evidenz wird mit der Zeit immer robuster. Das ist auch jetzt der Fall. Wir bekommen immer mehr Daten – etwa aus Israel oder den USA. Dies nicht nur in Hinsicht auf Impfdurchbrüche, sondern auch was Spitalaufenthalte angeht. Es liegt auch daran, dass die mRNA, die in der Schweiz mit der Impfung verabreicht wird, abgebaut wird. Deshalb braucht es eine zweite Dosis und wie wir jetzt sehen – vor allem bei älteren und betagten Menschen – auch eine «Booster»-Impfung.
Wir wähnen uns grundsätzlich lieber auf der sicheren Seite – aber jetzt belegen die Daten diese Notwendigkeit zunehmend. Wenn Swissmedic ermöglicht, dass man den «Booster» verabreichen kann, ist das der erste Schritt. Dann können die Richtlinien festgelegt werden und wir können uns in der Schweiz entsprechend organisieren.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.