Rang 10: Die «Pflegeinitiative»
Unter dem Eindruck des Personalmangels im Pflegebereich heisst die Schweizer Stimmbevölkerung am 28. November das Volksbegehren des Schweizer Berufsverbands für Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK mit 61 Prozent Ja-Stimmen gut. Ein indirekter Gegenvorschlag aus dem Parlament kann die Stimmbevölkerung offenbar nicht überzeugen. «Das ist ein eindrückliches Zeichen der Wertschätzung und von grossem Dank an das Gesundheitspersonal», sagt Gesundheitsminister Alain Berset nach der Abstimmung.
Nun muss das Parlament innerhalb von vier Jahren eine Vorlage ausarbeiten, die unter anderem eine «angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen» garantiert. Bis im Sommer 2023 muss der Bundesrat zudem «wirksame Massnahmen» gegen den Personalmangel in der Pflege ergreifen.
Rang 9: Die Kampfjet-Typenwahl
Im Juni überrascht der Bundesrat mit seinem Entscheid, 36 Kampfflugzeuge des Typs F-35A beim amerikanischen Hersteller Lockheed Martin zu kaufen. Sie erzielten den «höchsten Gesamtnutzen» bei «tiefsten Gesamtkosten», argumentiert er. Der F-35A sei «mit Abstand» am günstigsten, die 36 Jets würden rund fünf Milliarden Franken kosten, erklärt Verteidigungsministerin Viola Amherd im Sommer. Im November gibt der Bundesrat dann bekannt, dass die Kosten nach «Bereinigung» der Verträge rund sechs Milliarden betragen.
Ende August lanciert ein Komitee mit der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» (GSoA), SP und Grünen die Volksinitiative «Stop F-35». Diese will den Kauf der F-35A-Jets bis 2040 verbieten. Bis jetzt sind knapp 70‘000 Unterschriften zusammengekommen.
Rang 8: Das Verhüllungsverbot
Mit 51 Prozent Ja-Stimmen heisst die Stimmbevölkerung am 7. März die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» des «Egerkinger Komitees» gut. Ein indirekter Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament überzeugt zu wenig. Nach einer Kontroverse zwischen Bund und Kantonen, wer die Initiative umsetzen soll, nimmt Justizministerin Karin Keller-Sutter das Zepter in die Hand.
Im Oktober eröffnet der Bundesrat die Vernehmlassung zu einem neuen Tatbestand im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet die Gesichtsverhüllung «an allen Orten, die öffentlich zugänglich sind». Wer sich nicht daran hält, wird mit Busse bestraft. Ausnahmen sind «aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums» erlaubt.
Rang 7: Massnahmen gegen Pestizide
Zwei Volksinitiativen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft beschränken bzw. ganz verbieten wollen, sind dem Schweizer Stimmvolk zu radikal. Sie werden am 13. Juni mit 60 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Das Stimmvolk lässt sich überzeugen, dass eine Vorlage des Parlaments genügt. Diese verschärft die Vorschriften für die Bewilligung und die Anwendung von Pestiziden und reduziert die Überschüsse von Stickstoff und Phosphor in der Landwirtschaft «angemessen».
Das Abstimmungsresultat ist ein weiterer Triumph für den Schweizer Bauernverband und dessen Präsidenten, Mitte-Nationalrat Markus Ritter. Sie haben sich mit Vehemenz gegen die beiden Pestizid-Initiativen eingesetzt.
Rang 6: Mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung
Ab einer Höhe von 15'000 Franken müssen Beiträge an Parteien und Komitees künftig offengelegt werden. Darauf einigen sich National- und Ständerat in der Sommersession nach zweijährigem Ringen. Die Vorlage sieht vor, dass die Offenlegung der Spenden mit Stichkontrollen überprüft wird. Der Ständerat wehrt sich lange dagegen, dass die Transparenz auch für seine Mitglieder gelten soll, gibt aber in der letzten Beratungsrunde nach.
Das Komitee der «Transparenz-Initiative» mit Mitgliedern von SP, Grünen, BDP und EVP zieht seine Initiative zurück, welche die Hürde bereits bei 10'000 Franken angesetzt hätte. Es sieht seine Ziele mit der Vorlage des Parlaments erreicht.
Rang 5: Beschränkung der Kriegsmaterialexporte
Unter dem Eindruck einer Volksinitiative verbietet das Parlament in der Herbstsession den Export von Kriegsmaterial in sogenannte Bürgerkriegsländer. Dies kommt einer deutlichen Verschärfung gleich. Auch werden Exporte in Länder, welche Menschenrechte «schwerwiegend und systematisch» verletzen, untersagt. Der Bundesrat möchte sich die Kompetenz geben lassen, in gewissen Fällen Ausnahmen beschliessen zu können, blitzt damit aber im Parlament ab.
Das Komitee der Initiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» – der sogenannten «Korrekturinitiative» – zieht sein Volksbegehren danach zurück. In einer Mitteilung spricht es von einem «grossen Tag für eine glaubwürdige Schweizer Friedenspolitik».
Rang 4: Die «Ehe für alle»
Die Vorlage des Parlaments, welche die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht, wird am 26. September in der Volksabstimmung mit 64 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Das Referendum scheitert deutlich. Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative zurück, welche die Fraktion der Grünliberalen bereits 2013 eingereicht hat. Die Vorlage zur Umsetzung der Initiative hat das Parlament in der Wintersession 2020 verabschiedet.
Der Bundesrat beschliesst im November, die Vorlage zur Umsetzung der «Ehe für alle» auf den 1. Juli 2022 in Kraft zu setzen. Gleichgeschlechtliche Paare können ab diesem Zeitpunkt heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln.
Rang 3: Das Nein zum CO2-Gesetz
Die Vorlage von Bundesrat und Parlament erleidet in der Volksabstimmung vom 13. Juni mit 52 Prozent Nein-Stimmen Schiffbruch. Es ist ein Triumph für die SVP, die als einzige Partei das Referendum unterstützt hat. Die Flugticketabgabe, ein höherer Preis beim Benzin und ein neuer Klimafonds sind mit dem Volks-Nein vom Tisch, ebenso ein faktisches Verbot für neue Ölheizungen und eine Erhöhung des Maximalsatzes bei der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen wie Öl oder Gas.
Auf Antrag von Energieministerin Simonetta Sommaruga nimmt der Bundesrat sofort einen neuen Anlauf und präsentiert im Dezember eine reduzierte Vorlage für eine CO2-Gesetzesrevision, die auf neue Abgaben und Verbote verzichtet. Sie beschränkt sich auf die Zeit von 2025 bis 2030.
Rang 2: Die Reform der AHV
In der Wintersession verabschiedet das Parlament die Vorlage zur Stabilisierung der AHV, die das Rentenalter für die Frauen auf 65 Jahre heraufsetzen will. Die ersten neuen Frauenjahrgänge, die nach Inkrafttreten der Vorlage betroffen wären, sollen monatliche Rentenzuschläge erhalten, um die Erhöhung des Rentenalters auszugleichen. Mit der Vorlage verbunden ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Travail.Suisse sowie die beiden Linksparteien SP und Grüne ergreifen das Referendum gegen die Vorlage. Es wird mit Sicherheit zustande kommen, womit es im nächsten Jahr zu einer Volksabstimmung kommt.
Rang 1: Das Ende des Rahmenabkommens
Wegen «substanzieller Differenzen» beendet der Bundesrat am 26. Mai offiziell die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen. Er setzt stattdessen auf einen «politischen Dialog». Ein letzter Versuch von Bundespräsident Guy Parmelin, mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Durchbruch zu erzielen, scheitert kurz davor. In den drei umstrittenen Bereichen Unionsbürgerrichtlinie, Lohnschutz und staatliche Beihilfen finden sie keine Einigung.
Die EU zeigt sich brüskiert und reagiert mit Retorsionsmassnahmen. Die Schweiz darf sich bis auf Weiteres nicht am Forschungs-Rahmenprogramm Horizon Europe beteiligen. «Das Verhältnis der EU mit der Schweiz droht zu zerfallen», mahnt EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic.