Einsamkeit im Alter sei ein Tabu und werde unterschätzt – stellt Pasqualina Perrig-Chiello fest. Sie präsidiert den Verein Connect, welcher Angebote gegen die Einsamkeit zusammenbringen will. Es gelte zudem, die Öffentlichkeit, Fachleute sowie Politik für dieses Thema zu sensibilisieren.
Ein Gespräch, das echt ist und wirkliches Interesse zeigt, kann ganz viel Gutes tun.
Perrig war früher Professorin für Entwicklungspsychologie an der Uni Bern und Psychotherapeutin. Sie sagt, chronische Einsamkeit könne zu einer schlechteren körperlichen, psychischen und kognitiven Gesundheit führen: «Die Krankheitslast ist vergleichbar mit einem hohen Tabakkonsum, Übergewicht, grossem Bewegungsmangel und vor allem verdoppelt chronische Einsamkeit das Risiko für Alzheimer-Erkrankungen.»
Deshalb können Projekte gegen die Einsamkeit einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen gesund älter werden.
Mit «Mal Reden» die Einsamkeit durchbrechen
Psychotherapeutin Perrig hat zum Beispiel das Projekt «Mal Reden» begleitet. Es ist ein Gesprächsangebot per Telefon, das sich an alle richtet, die sich ein Gespräch wünschen. Die Geschäftsstelle befindet sich in einem Bürogebäude in einem Vorort von Bern.
Ab neun Uhr morgens sind die Telefonleitungen offen. Die Gespräche sind vertraulich und anonym, geschulte Freiwillige führen sie – während 20 Minuten. Eine der Freiwilligen etwa spricht ein bis zweimal die Woche über das Alltagstelefon von «Mal Reden» mit Menschen, die sich melden.
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Es sei eine Balance zwischen Vertrauen zu schaffen und dennoch eine gewisse Distanz zu behalten, erzählt sie. Auch wenn die Gespräche individuell seien, gebe es Themen, die wiederkehrten: der Verlust von Kontakten etwa, Sorgen um Familie oder Freunde, Schwierigkeiten in der Nachbarschaft.
Einsam in die Physiotherapie?
Die Idee für dieses kostenlose Telefonangebot hatte Eve Bino. Die heute 49-Jährige arbeitete als Physiotherapeutin: «Für viele Klientinnen und Klienten war ich die einzige Ansprechperson.» Sie wollten sich austauschen und ihr fehlte eigentlich die Zeit.
Dann las Bino über ein Angebot in Deutschland: Neben dem Alltagstelefon gibt es dort ein Telefon-Tandem für Menschen, die jeweils mit demselben Gegenüber sprechen wollen. Es gibt auch Informationen für jene, die weitere soziale Kontakte suchen. Zusammen mit Sylviane Darbellay gründete Bino vor fünf Jahren «mal reden».
Inzwischen führen sie mit den Freiwilligen allein über das Alltagstelefon pro Monat zwischen 650 und 700 Gespräche. Bino sagt: «Ein Gespräch, das echt ist und wirkliches Interesse zeigt – und das ist, was wir wollen – das kann ganz viel Gutes tun.»
Finanziert wird das Angebot über Stiftungen, Spenden und durch Beiträge von verschiedenen Deutschschweizer Kantonen, als Ergänzung zu anderen Angeboten.