In einem alten Bunker sollen letztes Jahr brisante Dokumente zum Fall der Crypto AG aufgetaucht sein. Gefunden von Spionen des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB). Das berichtet die «NZZ am Sonntag». Der Nachrichtendienstchef persönlich habe den brisanten Fund seiner Chefin – Bundesrätin Viola Amherd – rapportiert. Laut den Dokumenten soll Kaspar Villiger, ehemaliger FDP-Bundesrat und Vorsteher des Militärdepartements, Mitwisser der Spionageaktion gewesen sein. Villiger selber bestreitet das.
Dokumente des Bundes in einem Bunker statt in einem Archiv, wie ist das zu beurteilen? Und welche Regeln gibt es für die Archivierung von Bundesdokumenten? Sacha Zala, Historiker und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte, gibt Antworten.
SRF News: Die «NZZ am Sonntag» berichtet, dass VBS-Dokumente zum Fall der Crypto AG in einem Bunker aufgetaucht sein sollen. Überrascht Sie das?
Sacha Zala: Eigentlich nicht. Nach dem Bundesgesetz über die Archivierung müssen die Ämter ihre Akten dem Bundesarchiv anbieten. Wenn das aber nicht passiert, gibt es keine Sanktionsmöglichkeiten. Im Schattenbereich von Nachrichtendiensten, aber auch von der Bundesanwaltschaft ist die Dunkelziffer von nicht angebotenen Akten wohl relativ gross.
Schattenarchive dürfte es nach dem Gesetz eigentlich nicht geben.
Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Vermutlich trauen diese Ämter dem Bundesarchiv nicht zu, die Akten mit genügendem Schutz aufbewahren zu können. Und dann legen sie Schattenarchive an, die es eigentlich nach dem Gesetz nicht geben dürfte.
Was sind die Pflichten der Verwaltung in Bezug auf die Archivierung?
Die wichtigste Pflicht ist die ordentliche Aktenführung. Die Ämter müssen ihre Akten so führen, dass man noch etwas findet. Zweitens müssen Akten, wenn sie nicht mehr im täglichen Gebrauch sind, dem Bundesarchiv zur Archivierung übergeben werden.
Werden Akten archiviert, müssen sie während 30 Jahren geschützt werden.
Dieses entscheidet dann, ob die Akten archivierungswürdig sind oder nicht. Werden sie archiviert, müssen sie während 30 Jahren geschützt werden. Der Bundesrat hat aber die Möglichkeit, diese Schutzfrist auf 50 oder gar auf 80 Jahre zu erhöhen.
Warum werden trotz klarer Regeln nicht alle Dokumente rechtzeitig dem Bundesarchiv übergeben?
Es gibt eine gewisse Nachlässigkeit, da die Archivierungspflicht oft nicht die erste Priorität hat. Es gibt aber auch heisse, brisante Akten. Diese sind in sehr wenigen Bereichen der Bundesverwaltung anzutreffen. Aber dort, wie man beim jetzigen Beispiel sieht, hat die Verwaltung offensichtlich eine Tendenz, Schattenarchive anzulegen.
An gewissen Orten hat die Verwaltung offensichtlich eine Tendenz, Schattenarchive anzulegen.
Die entsprechende Verordnung erlaubt da verschiedene Schlupflöcher. Insbesondere die Praxis, dass man, wenn man alle zehn Jahre ein neues Dokument ins Dossier hineinlegt, die Schutzfrist beliebig verlängern kann.
Recherchen der Rundschau haben gezeigt, dass gar Dokumente aus dem Bundesarchiv verschwunden sind. Hat die Verwaltung geschlampt?
Wenn sie nicht auffindbar sind, ist tatsächlich etwas schiefgelaufen. Allerdings gibt es verschiedene mögliche Gründe für das Nichtauffinden. Es kann sein, dass die Dokumente einfach verlegt wurden, oder aber sie wurden gezielt entzogen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig zu sagen.
Es könnte also Absicht dahinter stehen?
Das hat durchaus eine gewisse Plausibilität. Wenn solche Dinge passieren, dann passieren sie nämlich nicht auf einer niedrigen Hierarchie. Die Entscheidungen wurden auf der Führungsebene getroffen.
Das Gespräch führte Felicie Notter.