Der Bundesrat machte hinter den Kulissen ordentlich Druck auf National- und Ständerat, dass sie das Geschäft dringlich behandeln und in der kommenden Herbstsession zu Ende beraten sollen. Aber das Büro des Ständerates schert aus, wie der Präsident des Ständerates, Alex Kuprecht, bestätigt: «Wir haben im Rahmen der Bürositzung entschieden, dass wir das ordentliche Verfahren anwenden werden.» Kein Dinglichkeitsverfahren also, sondern der Ständerat in der Herbstsession und dann der Nationalrat in der Wintersession. Wenn das Geschäft so pressiere, warum hat der Bundesrat die Botschaft ans Parlament dann erst vor zwei Wochen verabschiedet, fragt Kuprecht rhetorisch.
«Es eilt nicht»
Der Ständerat lässt sich viel mehr Zeit und hat das Geschäft denn auch erst für den 30. September, den zweitletzten Tag der kommenden Session, traktandiert. Alex Kuprecht glaubt auch dem am häufigsten gehörten Argument für eine rasche Freigabe der Kohäsiongelder nicht, dass dies entscheidend dafür sei, dass die Schweiz doch noch voll am EU-Forschungsprogramm Horizon teilnehmen könne.
«Wir sind der Ansicht, es eilt nicht, zumal die Bewilligung dieses Betrages von 1.3 Milliarden keine Garantie war, dass wir bei Horizon sofort wieder dabei sind.» Die EU habe im Rahmen der Diskussion in der Aussenpolitischen Kommission vielmehr klargemacht, dass die Bezahlung der Kohäsionsmilliarde eben keine Garantie sei, dass die Schweiz sofort wieder beim Forschungsprogramm dabei sei.
Das Büro des Ständerates hat die Agenda der kommenden Session festgelegt. Es stützt sich dabei aber auch wesentlich auf die Aussenpolitische Kommission. Diese hat die Kohäsionsmilliarde vorberaten. Dabei hat sie offensichtlich auch Vertreter der EU eingeladen. Und vor allem hat die Aussenpolitische Kommission explizit den Wunsch geäussert, dass der Ständerat die Kohäsionsmilliarde zwar jetzt berät – der Nationalrat aber erst in der Dezembersession, wie Kommissionspräsident Damian Müller ausführt: «Weil wir erstens keine Eile haben, zweitens die Europäische Union die Ansprechpartner von der EU-Seite noch bestimmen wird. Auch die Strategie, wie sie mit der Schweiz umgehen will.» Und deshalb habe die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates die Möglichkeit, anhand dieser Grundlagen ihre weiteren Beschlüsse zu fällen, so Müller.
Nationalrat will selbst bestimmen
Die EU soll noch im September ihre neue Schweiz-Strategie verabschieden. Die Aussenpolitiker des Ständerates wollen deshalb den Kolleginnen im Nationalrat die Möglichkeit geben, im Dezember dann auf die Entscheide der EU zu reagieren.
Das klingt plausibel, könnte man meinen – nicht aber in den Ohren von Tiana Moser, der Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates: «Das lässt mich etwas sprachlos zurück. Einerseits wäre es nun dringend notwendig, dass wir versuchen, die Beziehungen zur Europäischen Union wieder auf eine gesunde Basis zu stellen und damit auch diesen geschuldeten Betrag schnell auszahlen würden. Das ist das eine. Und das zweite ist, dass das Büro Ständerat damit eigentlich dem Nationalrat, der zweiten Kammer, verunmöglicht, selbst das Geschäft so zu traktandieren, wie er es für richtig hält.»
Denn der Nationalrat möchte das Geschäft eigentlich gerne jetzt in der Herbstsession beraten. So zeigt sich nach dem Scheitern des Rahmenabkommens einmal mehr, wie gespalten die Schweizer Politik ist und wie strategielos sie unterwegs ist im Verhältnis zur EU.