Die Abstimmungen vom November 2024 brachten einen markanten Geschlechtergraben ans Licht. Besonders deutlich wurde dies beim Autobahnausbau (Männer: 57 Prozent Ja, Frauen: 38 Prozent). Eine Nachbefragung des Umfrageinstituts GFS Bern zeigt, wie Prioritäten und Werte die Abstimmungsentscheide beeinflussen. SRF-Inlandredaktor Matthias Strasser erläutert die wichtigsten Erkenntnisse.
Wie drastisch war der Geschlechtergraben bei den Abstimmungen im November?
Der ist eindrücklich: Hätten die Frauen im November alleine abgestimmt, dann wären alle Vorlagen abgelehnt worden. Hätten die Männer alleine abgestimmt, dann wären alle Vorlagen angenommen worden. Sehr deutlich ist dieser Unterschied bei der Abstimmung über den Autobahnausbau. Lukas Golder vom GFS Bern spricht von einem der «höchsten Geschlechtergraben bei einem Abstimmungstermin, den es je zu beobachten gab».
Warum unterscheidet sich das Stimmverhalten von Männern und Frauen?
Unterschiedliche Werte und Prioritäten beeinflussen das Stimmverhalten. Für Frauen sind Interventionen des Staates, der Umweltschutz oder Gleichstellung wichtige Themen. Männer gewichten freiheitliche Werte und technologische Lösungen stärker. Besonders stark zeigt sich das bei den unter 30-Jährigen.
Wie hat sich der Graben beim Ausbau der Autobahnen gezeigt?
Die Vorlage zum Ausbau der Autobahnen machte die Unterschiede besonders sichtbar. Das Ergebnis war mit 47 Prozent Ja-Stimmen einigermassen knapp. 57 Prozent der Männer haben jedoch laut Nachbefragung Ja gesagt, bei den Frauen waren es nur 38 Prozent. Neben den Geschlechterunterschieden war die Mobilisierung durch die Linke entscheidend. Am Ende war es ein Entscheid zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung, zeigt die Nachbefragung.
Was zeigte sich bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform?
Die Nachbefragung zeigt vor allem Stirnrunzeln in der Stimmbevölkerung. Sie war der Ansicht, die Gesundheitsreform sei die wichtigste Vorlage, aber auch die komplizierteste. Trotzdem ist die Vorlage als einzige durchgekommen. Das hat auf beiden Seiten viel mit den steigenden Krankenkassenprämien zu tun. Das Ja ergab sich vor allem aus der Hoffnung, dass die Vorlage das Prämienwachstum stoppen könnte.
Das wichtigste Nein-Argument war aber gleichzeitig die Angst, dass die Prämien noch mehr steigen könnten. Die Annahme zeigt Experimentierfreude in der Bevölkerung, nach dem Motto: «Es ist sowieso schlimm im Moment. Kommt es trotz dieser Lösung noch schlimmer, braucht es halt neue Massnahmen.»