Den Traum vom eigenen Yogastudio hat sich E.H. vor sieben Jahren verwirklicht. Viel Herzblut und mehrere hunderttausend Franken investierte sie in ihr Studio in Schlieren (ZH). Mittlerweile beschäftigt sie fast zwanzig Angestellte. Nun ist daraus ein Albtraum geworden. Mitte Dezember musste sie ihr Studio zum zweiten Mal schliessen. Online-Yogakurse decken ihre Auslagen bei weitem nicht. «Es macht mich ohnmächtig», sagt E.H.
Kündigungsandrohung an Weihnachten
Im Frühling wurde ihr noch eine Monatsmiete erlassen, doch der Ton hat sich verschärft: Die Eigentümerin, ein Fonds der Credit Suisse, und ihre Verwaltung Wincasa forderten E.H. auf, sämtliche Geschäftszahlen offenzulegen.
Auch in welcher Höhe sie einen vom Bund verbürgten Coronakredit beantragt hatte, musste sie angegeben (siehe Box). Um kurzfristig Liquidität zu erhalten, hatte die Yogastudio-Besitzerin wie viele Gewerbler einen solchen beantragt.
Eine weitere Mietzinsreduktion gab es nicht. Stattdessen erhielt sie am 24. Dezember eine Kündigungsandrohung und eine Zahlungsfrist von 30 Tagen für die ausstehende Monatsmiete. Um nicht Konkurs anmelden zu müssen, überwies E.H. letztlich ihren gesamten Coronakredit im Umfang von rund 25'000 Franken an die Wincasa.
Kein Einzelfall
«Die Coronakredite sind zu einer Direktzahlung an die Immobilienbranche verkommen», sagt Larissa Steiner, Leiterin der Rechtsberatung des Zürcher Mieterverbands. Das sei stossend. «Es hat nichts mit der Frage zu tun, ob aufgrund der behördlichen Schliessungen ein Anspruch auf Mietzinsreduktion besteht.»
Dass die Coronakredite zu einem grossen Teil an die Immobilienbranche fliessen, war wohl auch nicht im Sinne des Bundesrates. Damals war klar, dass das Parlament gesetzlich festlegen wird, in welchem Umfang behördlich geschlossene Betriebe Anspruch auf eine Mietzinsreduktion haben. Doch das Geschäftsmietegesetz scheiterte im Parlament am Widerstand der bürgerlichen Parteien.
«Kassensturz»-Recherchen zeigen nun: Viele Vermieter beharren weiterhin auf der vollen Miete. Geschäftsmietende werden damit gezwungen, alle Mittel auszuschöpfen, um eine Kündigung zu verhindern. Das bestätigt auch der Berner Rechtsanwalt Nicolas Pfister. Er vertritt mehrere Geschäftsmieter, die gerichtlich eine Mietzinsreduktion einfordern. «Die Vermieter sagen, es ist nicht ihr Problem. Wenn man ein Geschäft hat, muss man sich organisieren. Jetzt ist es halt Pech.»
Wincasa entschuldigt sich
Einen Hinweis auf die finanzielle Situation der Immobilienbranche gibt der Halbjahresbericht 2020 der Wincasa-Muttergesellschaft Swiss Prime Site: «Wincasa konnte den Ertrag aus den Immobiliendienstleistungen um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht steigern.»
Einen kleinen Lichtblick gibt es auch für E.H.: Nachdem sich «Kassensturz» einschaltete, erliess ihr die Wincasa erneut eine Monatsmiete, verlängert die Mietreduktion und entschuldigt sich für die weihnachtliche Kündigungsandrohung.