Bei den National- und Ständeratswahlen haben die Grünen Verluste eingefahren. Nun zieht der Parteipräsident die Konsequenz: Balthasar Glättli tritt nach weniger als 4 Jahren als Parteipräsident zurück. Genauer gesagt, er stellt sich nicht mehr zur parteiinternen Wiederwahl und bestätigt entsprechende Recherchen von Radio SRF.
«Ich bin das Gesicht dieser Niederlage»
Entschieden habe er bereits am Tag nach den nationalen Wahlen, sagt Glättli. Am Tag also, nachdem die Grünen Wählerinnen und Wähler sowie 5 Nationalratssitze verloren haben. «Ich bin das Gesicht dieser Niederlage und die Grünen haben es verdient, mit einem neuen Gesicht in einen neuen Aufschwung starten zu können.»
Es sei wie im Fussball: Der Trainer sei bei Niederlagen nicht an allem Schuld – manchmal aber brauche es den Wechsel trotzdem, sagt Glättli, und er zieht gleich noch einen Vergleich. Ein Parteipräsident sei wie eine Strassenlaterne. «Oben muss man leuchten, unten wird man angepinkelt. Ich hatte nie Mühe mit der unteren Hälfte, aber wenn ich nicht mehr strahlen kann, ist es Zeit, den Stab an meinen Nachfolger oder meine Nachfolgerin weiterzugeben.»
Zweifelnder Glättli
Er sei einer, der häufig zweifle, sagt Glättli: Das vertrage sich nicht immer gut mit der Rolle als Präsident. Nachwahlbefragungen deuten darauf hin, dass die Grünen sehr viele Wählerinnen und Wähler an die SP verloren haben und zahlreiche frühere Sympathisantinnen und Sympathisanten diesmal nicht mehr wählen gingen.
Ich weiss, dass ich nicht alleine alles falsch gemacht habe.
«Somit haben wir möglicherweise unsere eigenen Erfolge zu wenig in den Vordergrund gestellt. Wenn die Wähler zu anderen Parteien gewechselt sind, haben wir einen zu engen Wahlkampf beschränkt auf das Thema Klima betrieben.»
Diese Analyse müssten aber seine Nachfolger machen. «Ich war schlussendlich verantwortlich für die Entscheidungen. Ich weiss aber auch, dass ich nicht alleine alles falsch gemacht habe. Genau gleich, wie ich, als ich vor vier Jahren als Co-Wahlkampfleiter den erfolgreichsten Grünen-Wahlkampf aller Zeiten leiten durfte, nicht alleine alles richtig gemacht habe.»
Balthasar Glättli hätte seinen Rückzug eigentlich erst nach den Bundesratswahlen von Mitte Dezember bekannt geben lassen, um die Kampfkandidatur des Grünen-Nationalrats Gerhard Andrey nicht zu überlagern mit Personaldiskussionen. Nun ist die Nachricht dennoch zu einem schwierigen Zeitpunkt durchgesickert.
Die Nichtwiederwahl der Genfer Ständerätin und Partei-Vizepräsidentin Lisa Mazzone letzten Sonntag hat die Grünen schwer erschüttert. Im Amt bleibt Glättli bis Anfang April – dann wählen die grünen Delegierten seine Nachfolge.
Grünen-Führungsduo: Jung und weiblich?
Er könne sich ein Führungsduo gut vorstellen, sagt der abtretende Präsident – jünger und weiblicher solle die Parteispitze werden. «Wir sind bei den Jungen und Frauen überproportional stark und ich hoffe, dass sich Frauen für dieses Amt zur Verfügung stellen werden.»
Gespräche mit grünen Parlamentarierinnen und Parlamentariern zeigen: Viele wünschen sich ein Co-Präsidium aus der Deutsch- und der Westschweiz. Mögliche Deutschschweizer Kandidatinnen sind zum Beispiel die Nationalrätinnen Franziska Ryser, Marionna Schlatter oder Sibel Arslan.