Vor vier Jahren schwappte die Grüne Welle über das Parlament, den Grünen gelang ein historischer Sitzgewinn. Dennoch müssen Meret Schneider aus Zürich, Kurt Egger aus dem Thurgau, Natalie Imboden aus Bern, Isabelle Pasquier-Eichenberger aus Genf und Valentine Python aus der Waadt ihre Koffer packen. Sie wurden alle aus dem Nationalrat abgewählt. Was steckt hinter der grünen Niederlage?
Wählende wandern zur SP
Ein Grund sind laut der Nachwahlbefragung von Sotomo Wählerinnen und Wähler, die zur SP abgewandert sind. Den Grünen wurde wohl die Themenkonkurrenz zum Verhängnis: Für 82 Prozent der grünen Wählerschaft ist der Klimawandel relevant für den Wahlentscheid, so auch für 43 Prozent der SP-Wählenden. Insgesamt verlieren die Grünen laut Sotomo zwei Prozentpunkte an die Sozialdemokraten.
Die Klimakrise sei für die Grünen immer das prioritäre Thema, so Aline Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen – und werde es auch bleiben. Die Partei sei aber auch in anderen Themen breit aufgestellt, sie müsse das in Zukunft einfach besser kommunizieren.
Der Grüne Zürcher Nationalrat Bastien Girod verweist auf diverse Erfolge der Grünen im Parlament, die in Medien und Öffentlichkeit nur ungenügend wahrgenommen worden seien: «In den nächsten vier Jahren werden viele dieser Themen nicht mehr vorwärtsgehen. Man hat die Wirkung der Grünen unterschätzt.»
Schlechtes Image
Die Klimajugend mobilisierte vor vier Jahren viele Wählende und spielte den Grünen in die Karten. Gross angelegte Demos brachten die Menschen für ein besseres Klima auf die Strasse. Ganz anders heute: Militante Klimaaktivisten sind für die Grünen zu einem Imageproblem geworden. Laut Sotomo nennen 27 Prozent der Menschen, die jetzt nicht mehr grün wählen, die Klimakleber als Auslöser.
Haben die Grünen ein Imageproblem? «Es sind ja nicht die Grünen, die sich auf die Strasse kleben», sagt Girod. Für ihn sei unbestritten, dass die Klimajugend den Grünen geholfen habe und sie in diesem Wahljahr fehlten, deshalb müsse die Partei alles daransetzen, wieder eine sympathische und einladende Bewegung zu haben.
Fehlende Zugpferde
Über Sieg und Niederlage bei den Wahlen entscheiden oft auch politische Zugpferde, das zeigt das Beispiel Baselland. Dort verzeichnen die Grünen bei den Nationalratswahlen ein Minus von acht Prozentpunkten – so viel wie in keinem anderen Kanton in der Deutschschweiz. Ein wichtiger Grund: das Fehlen von Maya Graf auf der Nationalratsliste. Zum ersten Mal seit 20 Jahren liess sich die Ständerätin nicht auf die Liste setzen. In der Vergangenheit hatte Graf der Partei Tausende Fremdstimmen eingebracht.
Zeigt die Niederlage der Grünen, dass Parteipräsident Balthasar Glättli als Zugpferd unzureichend funktioniert? In Umfragen wird ihm am wenigsten Einfluss von allen Parteipräsidenten zugesprochen. Auf die Frage, ob die Grünen für einen erfolgreichen Neuanfang auch eine neue Parteispitze brauche, winkt Trede ab: «Es ist nicht wie im Fussball, wo wir einfach den Trainer auswechseln, und dann ist alles wieder besser.» Für sie sei die Frage nach einem neuen Präsidium nicht die Priorität. Auch Girod steht hinter den Köpfen, die ins Rennen gingen. «Das war die Verantwortung der Partei und die haben das Beste daraus gemacht.»
Das Beste war anscheinend nicht gut genug. Die Grünen wollen in den nächsten Tagen das weitere Vorgehen besprechen und das Ergebnis genau analysieren.