Die erste Bilanz ist ernüchternd. Seit fast drei Monaten stehen in Schaffhausen freiwillige Fahrerinnen und Fahrer bereit, um nachts Menschen sicher nach Hause zu bringen. Nur: Genutzt hat dieses Angebot bisher noch überhaupt niemand.
Auf der einen Seite sind wir froh, dass man uns nicht braucht.
Zwar hat die Gruppe «Get Home Safe» eine Handvoll Anfragen erhalten, wie Mitinitiantin Indja Hunziker einen Artikel der Schaffhauser AZ bestätigt. Zu einem Einsatz kam es trotzdem noch nie, etwa weil schlussendlich der Bruder der betreffenden Person helfen konnte.
«Auf der einen Seite sind wir froh, dass man uns nicht braucht», sagt Hunziker. Sie hat das Angebot gemeinsam mit einer Freundin auf die Beine gestellt, nachdem ein unbekannter Mann im vergangenen November in Schaffhausen eine junge Frau in ein Gebüsch gezerrt und vergewaltigt hatte. Die Idee: Niemand soll nachts allein nach Hause laufen müssen, nur weil der Person das Geld für ein Taxi fehlt.
Noch immer viel Zuspruch
Hunziker, die im Gastgewerbe arbeitet, hat selbst schon heikle Situationen erlebt. Obwohl ihr Angebot nicht wie erwartet nachgefragt wird, sagt sie: «Das Bedürfnis ist immer noch ziemlich gross.» Das zeigten auch die vielen Rückmeldungen, die sie auf Instagram erhielten. Rund 3'500 Mitglieder zählt die Gruppe mittlerweile. Und sie wächst weiter an. Viele Menschen wollen helfen oder spenden.
Die Leute gehen nicht mehr so spät nach Hause oder laufen nicht mehr allein heim.
Hunziker vermutet, dass sich manche Menschen nicht trauten, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Nach der Vergewaltigung im November seien die Leute womöglich auch vorsichtiger geworden: «Sie gehen vielleicht nicht mehr so spät nach Hause oder laufen nicht mehr allein heim.»
Ist das Angebot «Get Home Safe» auch einfach zu kompliziert? Wer es nutzen will, braucht einen Einladungslink, muss Mitglied einer Gruppe auf der Plattform Telegram werden, sich dort mit seiner Identitätskarte ausweisen. Aus Sicherheitsgründen. Hunziker sagt: «Es geht darum, dass wir die Identität der Leute schützen können». Das sei auf Telegram einfacher als etwa auf Whatsapp, wo jeder einen Screenshot machen könne.
Trotzdem überlegen sich Hunziker und ihre Kolleginnen und Mitstreiter, wie sie das Angebot weiterentwickeln können. Sie planten derzeit eine Website und überlegten sich, Clubs anzuschreiben, um mit ihnen zusammenarbeiten. Das habe ihnen ihre «Community» geraten, um «Get Home Safe» bekannter zu machen.
Ein Schritt, den auch Olivia de Graaf, Leiterin der Schaffhauser Fachstelle Gleichstellung, Gewaltprävention und Gewaltschutz begrüsst. Aus ihrer Sicht ist das Projekt «ein zivilgesellschaftliches Engagement, das durchaus begrüssenswert ist».