In einer besorgniserregenden Entwicklung hat die Gewalt bei Festivals der eritreischen Gemeinschaften eine kritische Grenze überschritten. Das sagt Christine Schraner Burgener, die Staatssekretärin für Migration (SEM), in einem Beitrag des «Tages-Anzeigers».
Schraner Burgener kündigt an, dass sie sich mit den zuständigen Behörden abstimmen werde, um sicherzustellen, dass Veranstaltungen, bei denen Ausschreitungen drohen, künftig keine Genehmigung mehr erhalten werden.
Auf Anfrage von SRF «Rendez-vous» präzisiert der Sprecher des Staatssekretariats für Migration die Aussagen seiner Chefin. «Wir beobachten eine gewisse Radikalisierung in letzter Zeit», sagt Daniel Bach, «und wir können hier sicher etwas Frühwarnung machen». Wenn Veranstaltungen gewaltsam zu verlaufen drohen, könne das SEM dahin wirken, dass eine Veranstaltung auch mal nicht bewilligt werde.
Die Verantwortung liegt bei den Gemeinden
Dass die Situation nicht ganz so einfach ist, zeigt die Rückfrage von SRF bei der Migrationsrechtlerin Sarah Progin-Theuerkauf. Für die Bewilligung von Veranstaltungen sei nicht der Bund, sondern die Gemeinden zuständig, sagt die Professorin für Europarecht und europäisches Migrationsrecht an der Universität Freiburg. «Und in einem föderalistischen System müssen die Zuständigkeiten eben gewahrt bleiben.»
Das sieht auch Sonja Lüthi so, Polizeidirektorin der Stadt St. Gallen und Co-Präsidentin aller städtischen Polizeidirektorinnen und -direktoren. Eine Veranstaltung müsse die öffentliche Sicherheit «unmittelbar und schwer» gefährden, dass ein Verbot überhaupt möglich sei. Angesichts der jüngsten Ausschreitungen komme man allerdings langsam dahin, dass ein solches Verbot begründet werden könnte.
Ein Problem sei derzeit auch noch die Information im Vorfeld möglicher Ausschreitungen, so Lüthi. Die entsprechenden Warnhinweise stammen nicht selten von den eritreischen Regimegegnern selbst. Sie unterrichten Bewilligungsbehörden und Polizeicorps über Veranstaltungen der Regimebefürworter und sähen diese am liebsten verboten.
Progin-Theuerkauf moniert noch einen weiteren Sachverhalt. Es sei einseitig, sich nur auf die eritreische Diaspora zu beschränken, da es in der Vergangenheit auch andere ethnische Auseinandersetzungen in der Schweiz gegeben habe.
Grundrechte gelten für alle – auch für Delinquente
Der Forderung des Zürcher Sicherheitsdirektors Mario Fehr und der SVP, regimetreue Eritreer und Eritreerinnen auszuschaffen, steht die Migrationsexpertin skeptisch gegenüber. Dennoch hat Fehr nach den Ausschreitungen in Opfikon dem SEM Informationen über Beteiligte zukommen lassen.
Das müsse man sich jetzt anschauen, sagt SEM-Sprecher Bach. In einem ersten Schritte müsse der Datenschutz einbezogen werden, denn nicht alle Daten dürften verwendet werden. In einem zweiten Schritt werde man dann schauen, ob gegen einzelne Personen Schritte möglich seien.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, delinquenten Eritreern den Asylstatus abzuerkennen, sagt auch Progin-Theuerkauf. Da Eritrea als Land aber die Zusammenarbeit mit der Schweiz verweigere, könnten Betroffene dennoch nicht zurückgeschafft werden und würden in der Schweiz als «Sans-Papiers» im Untergrund von der Nothilfe leben. «Das ist natürlich eine Situation, die letztlich zu vermeiden wäre», so Progin-Theuerkauf.