In ganz Europa ist es in den vergangenen Tagen zu Zusammenstössen zwischen verschiedenen eritreischen Diaspora-Gruppen gekommen. Zunächst in Israel, Norwegen und im zürcherischen Opfikon, Tage später dann – mit über 60 aus der Schweiz angereisten Personen – auch in Stuttgart. Grund waren eritreische Treffen und Festivals, die anlässlich der 30-jährigen Unabhängigkeit Eritreas stattgefunden haben. SRF-Afrika-Korrespondentin Anna Lemmenmeier erklärt die Hintergründe der Auseinandersetzungen.
Welche Gruppen sind sich bei den Zusammenstössen gegenübergestanden?
Es handelt sich um Kritikerinnen und Befürworter des Regimes von Eritreas autoritärem Machthaber Isaias Afewerki. Wir haben solche Zusammenstösse in den letzten Wochen und Monaten auch schon in Australien, Kanada, Schweden und den USA gesehen.
Warum kam es zu den Auseinandersetzungen?
Die Befürworter und Gegner des Regimes von Afewerki geraten aneinander, weil Mitglieder der Regimekritikerinnen und -kritiker zum Teil unter Einsatz ihres Lebens vor der Diktatur in Eritrea geflohen sind. Für sie ist es deshalb ein Hohn, wenn das Regime mit grossen Festivals gefeiert wird, wie sie anlässlich der 30-jährigen Unabhängigkeit von Eritrea an vielen Orten stattgefunden haben.
Wer unterstützt das Regime?
Es gibt Menschen, die bereits in den 80er- und 90er-Jahren während des eritreischen Unabhängigkeitskrieges in die Schweiz geflüchtet sind. Diese Menschen haben Eritrea im Unabhängigkeitsbestreben unterstützt, haben aber nie unter dem aktuellen Machthaber Isaias Afewerki gelebt und haben die Repression der Diktatur nie am eigenen Leib erfahren. Von ihnen sind viele bis heute aufseiten des Regimes. Aber es gibt auch Jüngere, die die eritreische Regierung unterstützen.
Warum ist es nicht schon zuvor zu solchen Zusammenstössen gekommen?
Gegnerinnen und Gegner der eritreischen Regierung scheinen die Angst verloren zu haben, sich in der Diaspora kritisch gegenüber dem Regime in Asmara zu äussern. Auch sind die Pro-Demokratie-Aktivistinnen und -Aktivisten international besser vernetzt. Die Eritrea-Festivals sind für Gegner von Isaias Afewerki oft die einzige Möglichkeit, sich sichtbar gegen das Regime zu wehren, manchmal auch mit Gewalt.
Was hat es mit den blauen Flaggen auf sich, die auf den Bildern aus Opfikon zu sehen waren?
Die hellblaue Flagge mit Olivenzweigen ist die historische eritreische Flagge. Sie wird von den Regimegegnern getragen. Sie lehnen die aktuelle Flagge von Eritrea ab, da diese die Farben der Eritreischen Volksbefreiungsfront trägt, welche für die Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien kämpfte. Aus der Eritreischen Volksbefreiungsfront entstand dann die Partei des aktuellen eritreischen Machthabers Isaias Afewerki, der Eritrea mit eiserner Hand regiert.
Werden diese Auseinandersetzungen in Eritrea selbst wahrgenommen?
Der Zugang zu Informationen in Eritrea wird kontrolliert, Telefone werden abgehört. Dennoch gehe ich davon aus, dass Informationen über die Zusammenstösse zur Bevölkerung in Eritrea durchsickern. Präsident Isaias Afewerki ist seit 1993 in Eritrea an der Macht. Ein Ende seines Regimes ist nicht in Sicht. Der Autokrat sitzt fest im Sattel. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass die vielen Zusammenstösse in der eritreischen Regierung für Nervosität sorgen.