Was ist passiert? Im November 2020 hatte die «Weltwoche» publik gemacht, dass eine Frau im Dezember 2019 versucht hatte, Bundesrat Alain Berset mit privaten Dokumenten zu erpressen. Sie forderte von ihm 100'000 Franken, später nahm sie davon wieder Abstand. Die Erpresserin hatte gedroht, sonst die Beziehung öffentlich zu machen, die sie mit dem verheirateten Familienvater 2012 hatte. Berset schaltete die Bundesanwaltschaft ein. Die Frau wurde schliesslich per Strafbefehl wegen versuchter Erpressung verurteilt.
Was wird dem Bundesrat vorgeworfen? Ende September 2021 berichtete die «Weltwoche» erneut über den Fall. Bundesrat Berset soll Bundesbeamte für seine persönliche Geschichte «missbraucht und Steuergeld verschleudert» haben. Dies gehe aus der Strafakte hervor, schreibt der Autor des Artikels, Ex-SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Die «Weltwoche» schreibt weiter, die Elitepolizei «Tigris» habe die Erpresserin festgenommen.
Was sagt Berset zu den Vorwürfen? Aus dem nahen Umfeld des Bundesrats wird die Angelegenheit anders kolportiert. So stimme es zwar, dass der Generalsekretär am Anfang, als das Erpressungsmail einging, die ersten Kontaktversuche mit der Frau unternommen habe. Danach aber, als Bersets Anwalt eingeschaltet worden war, habe der Generalsekretär mit der Sache nichts mehr zu tun gehabt. Auch Bersets Kommunikationschef sei nur dann involviert gewesen, wenn es um die Information der Öffentlichkeit gegangen sei. Berset habe sich persönlich einen Anwalt genommen, diesen bezahle er mit seinem eigenen Geld. Die Besprechungen mit diesem habe er in seiner Freizeit geführt.
Was für Material wurde sichergestellt? Beim Material, das die Bundesanwaltschaft (BA) sichergestellt hat, handelt es sich um E-Mails, private Korrespondenz und ein Foto. Bersets Sprecher sagt, es gebe keine verfänglichen Fotos und auch sonst keine belastenden Informationen. In den Ermittlungsakten sind laut BA alle Dokumente vorhanden, so wie es die Strafprozessordnung vorsieht. Die Bundeskriminalpolizei habe lediglich verschiedene Datenträger der Frau beschlagnahmt und sämtliche Daten darauf gelöscht. Diese Löschung sei legal.
Gibt es politische Konsequenzen? Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat teilten diese Woche mit, dass sie diese Angelegenheit untersuchen werden. So wird die Verhältnismässigkeit des Einsatzes der Sondereinheit «Tigris» überprüft. Und auch dem Vorwurf des Missbrauchs von Steuergeldern soll nachgegangen werden. Die Subkommissionen der Geschäftsprüfungskommissionen sind bereits daran, in Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft zu prüfen, ob das abgeschlossene Strafverfahren den üblichen Standards entsprochen hat oder ob allenfalls wegen der Prominenz des Opfers unangemessen vorgegangen wurde.
Welche Rolle hat die Bundesanwaltschaft? Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft hat bereits im November 2020 Abklärungen eingeleitet. Diese sollen das Verhalten der BA in der Sache klären. Sie ging unter anderem der Frage nach, ob es angemessen war, dass die BA nach ihrer Untersuchung Daten von Geräten der Frau löschte. Der Bericht dazu wurde nun in den zuständigen Parlamentskommissionen besprochen. Im September 2021 – zwei Wochen nach der erneuten Berichterstattung der «Weltwoche» – reichte die Bundesanwaltschaft bei ihrer Aufsichtsbehörde Strafanzeige ein. Ein ausserordentlicher Staatsanwalt soll nun untersuchen, ob die «Weltwoche» geheime Akten erhalten habe.