Ein Sturm zieht über die antarktische Weite. Böen von über 100 Kilometern pro Stunde fegen über Schnee und Eis. Mittendrin ist die Wahlzürcherin Anja Blacha. Sie sieht kaum etwas. Der Boden unter ihr ist weiss, die Luft um sie herum ebenso. Diese Grenzerfahrung macht Anja Blacha während ihrer Südpol-Expedition 2020.
Rekord in der Antarktis
Eine Woche lang hält der Sturm an. Doch Blacha gibt sich kämpferisch. Täglich versucht sie auf ihren Skiern, vorwärtszukommen. Hinter sich her zieht sie einen schweren Schlitten mit Ausrüstung. «Ich wusste, dass ich ohne Bewegung nicht ans Ziel komme und Proviant oder Brennstoff ausgehen würden», sagt Blacha im Rückblick. «Das hat mich motiviert.»
Fast zwei Monate lang ist Blacha allein im ewigen Eis unterwegs, 1400 Kilometer marschiert sie. Schliesslich der grosse Freudentag: Am 9. Januar erreicht die Extremsportlerin den Südpol. Sie ist die erste Frau, die in der Antarktis eine solche Strecke allein und ohne fremde Unterstützung zurückgelegt hat.
Diese Expedition ist nicht der einzige Erfolg von Anja Blacha: Ab 2015 besteigt sie die höchsten Berge aller Kontinente. Dies gelingt ihr in weniger als drei Jahren. Später erklimmt sie den K2 im Himalaya, der als schwierigster Berg der Welt gilt. Und sie steht erneut auf dem Gipfel des Mount Everest. Wohlgemerkt: Diesen Extremsport betreibt Anja Blacha in ihrer Freizeit als Hobby.
Der Mount Everest als Spielverderber
Was fasziniert die 32-Jährige an solchen Grenzerfahrungen? «Ich suche weder die Extreme noch den Adrenalin-Kick», sagt sie. Die Expeditionen seien «ein Ausgleich zum normalen Alltag und Büroleben».
Auch die intensiven Erfahrungen in der Natur ziehen sie an: «Ich habe Landschaften gesehen, die so eindrücklich sind, dass ich mich immer an sie erinnern werde», sagt Blacha. «Und natürlich kann ich auch immer wieder meine Grenzen ausloten und verschieben.»
Doch als Extremsportlerin erlebt Anja Blacha auch Limitierendes. So möchte sie 2021 den Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff bezwingen. Erst rund 100 Bergsteigerinnen und Bergsteigern ist dies gelungen. «Ich hatte geglaubt, dass ich es schaffen könnte», sagt Blacha.
Rücksicht auf andere Bergsteiger
Doch die Wetterbedingungen und Schneeverhältnisse am Berg sind viel schlechter als erwartet. «Und ich kam in diesem Tiefdruckgebiet, mit dem geringen Sauerstoff in der Luft, an meine Grenze.» 450 Meter vor dem Gipfel greift Anja Blacha zum Flaschensauerstoff. «Das war wirklich eine Überwindung.» Doch für die Bergsteigerin ist klar, dass sie ihre Begleiterinnen und Begleiter nicht gefährden will.
Gerade in der Gipfelregion kommen immer wieder Bergsteigerinnen und Bergsteiger ums Leben. Sie zu bergen, ist ein grosses Risiko. «Wenn mir irgendetwas passiert und sich andere um mich kümmern müssen, bringe ich sie in Gefahr», sagt Blacha. Diese Grenze wolle sie nicht überschreiten, «nur weil mein Ego zu gross oder ich an einer Stelle zu verbissen war».
Ob Anja Blacha den Mount Everest ein weiteres Mal besteigt, lässt sie offen. Sicherlich folgen aber noch weitere Abenteuer. Interessieren würde Blacha beispielsweise die Region um den Nordpol. «Das arktische Terrain mit seiner Feuchtigkeit, den Eisbären und Eisschollen zu erkunden, wäre nochmals etwas ganz anderes als die Antarktis.» Noch stehen keine genauen Pläne. Doch Grenzerfahrungen dürften Anja Blacha auch in Zukunft begleiten.